Kanzlerkandidatur Warum 2024 das Jahr des Friedrich Merz wird – oder eben nicht

Könnte dieses Jahr den Grundstein für eine Kanzlerschaft legen: CDU-Chef und Oppositionsführer Friedrich Merz   
Könnte dieses Jahr den Grundstein für eine Kanzlerschaft legen: CDU-Chef und Oppositionsführer Friedrich Merz
 
© Kay Nietfeld / dpa
Wenn alles nach Plan läuft, küren CDU und CSU im Spätsommer Friedrich Merz zum Kanzlerkandidaten. Es könnte ein gutes Jahr für den Oppositionsführer werden. Warum? Drei gute Gründe dafür – und drei kleine Vorbehalte.  

Es gehört zu den schönen Seiten im Leben eines Oppositionsführers, dass er ab und an mal mit einer Regierungsmaschine fliegen darf. Er muss nur einen Tag finden, an dem der Kanzler oder seine Minister nicht in der Welt unterwegs sind und eines der Flugzeuge der Luftwaffe zur Verfügung steht.   

Kurz vor Weihnachten gab es so eine Gelegenheit und Friedrich Merz ist nach Paris geflogen. Emmanuel Macron hat ihn empfangen. Es gibt ein paar nette Fotos, wie sie da in schwarzen Ledersofas versinken und miteinander plaudern, der Präsident der Fünften Republik und der noch Unvollendete aus dem Sauerland. 

Im neuen Jahr hat Merz seine Auslandstour gleich fortgesetzt. In dieser Woche war er in Schweden und Finnland zu Besuch. Dass der CDU-Vorsitzende dort überall von Staats- und Regierungschefs empfangen wird, überrascht nicht. Schließlich ist allen Partnern in Europa klar: Dieser Mann hat beste Chancen, nächster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden.   

Im Spätsommer wollen CDU und CSU ihren Kanzlerkandidaten küren. Stand jetzt spricht viel dafür, dass es der Vorsitzende der gemeinsamen Bundestagsfraktion wird. Und so könnte 2024 das Jahr des Friedrich Merz werden. Es könnte.  

Was dafür spricht? 

Am Freitag und Samstag trifft sich der CDU-Vorstand zur Klausurtagung in Heidelberg. Merz wird sich anhören, was seine Parteifreunde aus ihren Wahlkreisen zu berichten haben. Man wird ein bisschen beraten. Und dann verabschieden, was Merz gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Parteichef versprochen hat: ein neues Grundsatzprogramm. Merz hat nicht nur in dieser Hinsicht Wort gehalten. Die Partei tritt geschlossen auf. Die Fraktion erzielt Oppositionserfolge. Er selbst ist nun unumstritten – und hat inzwischen einen Generalsekretär an seiner Seite, der zu ihm passt und an ihn glaubt. "Friedrich, Du musst das machen", hat Carsten Linnemann kürzlich im stern gefordert. Es ging um die Kanzlerkandidatur.    

Merz weiß selbst, dass sich seine Bemühungen nicht so sehr in guten Umfragewerten niederschlagen würden, wäre da nicht ein gewisser Olaf Scholz mit seiner Ampel-Koalition. Die Union profitiert, weil die Regierung unbeliebt ist. Die FDP hadert mit sich selbst. Die Grünen trauern den eigenen Ansprüchen hinterher. Und die SPD beginnt das neue Jahr mit einer alten sozialdemokratischen Tradition, die sich die Genossen nun zwei Jahre lang verkniffen hatten: der Demontage des eigenen Kanzlers. Merz muss nur zuschauen und die richtigen Schlüsse ziehen.

Die Themenkonjunktur kommt ihm ebenfalls entgegen. Im ganzen Land protestieren die Bauern. Was für ein Geschenk! Die Landwirtschaftslobby war immer eine Vorfeldorganisation der Union. Sollte irgendwann unter Angela Merkel daran mal ein Zweifel entstanden sein, lässt sich der nun leicht korrigieren. Noch wichtiger ist die wirtschaftliche Großwetterlage. In Zeiten von Inflation und Industriekrise setzen die Deutschen im Zweifel immer auf die Union. Zumal, wenn das oberste Gericht des Landes gerade bestätigt hat, was Christdemokraten schon immer predigten: Sozis können einfach nicht mit Geld umgehen – und Liberale in Koalitionen mit Sozis offenbar auch nicht.   

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Was dagegen spricht?  

Im Herbst wird in Brandenburg, Sachsen und Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Man neigt aus Berliner Sicht schnell dazu, dass schlicht unter "der Osten wählt" zusammenzufassen. Das wäre zu einfach, dafür sind die jeweiligen Konstellationen zu verschieden. Für die CDU allerdings könnten alle drei Wahlen eine echte Tortur werden, die AfD liegt in den drei Bundesländern gerade mit weitem Abstand vorne. 

Und für Merz, der in diesem Teil des Landes zeitweise mehr Fans in der Partei hatte als in seinem Heimatverband NRW, geht es bei den Wahlen um die interne Durchsetzungsfähigkeit. Die Regierungsbildung kann in allen drei Ländern chaotisch bis katastrophal werden – und Merz wäre nicht der erste CDU-Chef, der daran scheitert, seinen Laden in so einer Situation zusammenzuhalten.  

Nur Markus Söder weiß, was Markus Söder vorhat. Und was genau das ist, mag von Tag zu Tag wechseln. Der CSU-Chef lobt derzeit das neue Miteinander mit der Schwesterpartei. Er dementiert jegliche Ambitionen auf einen erneuten Anlauf auf die Kanzlerkandidatur. Und er arbeitet hart daran, in sozialen Medien zu einer Figur der Popkultur des frühen 21. Jahrhunderts aufzusteigen. War’s das also mit Querschlägern für Merz aus Bayern? Ja mei, des wuin mia erstmal seng. 

Das größte Risiko für Friedrich Merz aber ist Friedrich Merz. Das war immer so, das bleibt so. Wenn alles super für ihn läuft, haut er einen raus. Paschas, Zahnärzte, Alternative für Deutschland mit Substanz. Merz spricht vielen Konservativen aus der Seele. Für eine erfolgreiche Kanzlerkandidatur aber wird er sich den ein oder anderen Spruch verkneifen müssen.  

Staatsmann wird nicht sofort, wer ab und an mit der Luftwaffe fliegt und bei Macron auf dem Sofa sitzt. Dazu gehört viel mehr. An erster Stelle: Impulskontrolle und Selbstdisziplin.