Angesichts stark gestiegener Flüchtlingszahlen und überlasteter Kommunen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Herbst gefordert, abgelehnte Asylbewerber "im großen Stil" abzuschieben. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) legte darauf einen Gesetzentwurf "zur Verbesserung der Rückführung" vor, über den am Donnerstag abschließend der Bundestag abstimmt.
Faeser zufolge sind die geplanten Maßnahmen für schnellere Rückführungen notwendig, um die gesellschaftliche Akzeptanz für den Schutz von Flüchtlingen zu erhalten. "Mit unserem Gesetzespaket sorgen wir dafür, dass Menschen ohne Bleiberecht schneller unser Land verlassen müssen", sagte die SPD-Politikerin der "Rheinischen Post" (Donnerstag). Mit einer Reihe von Neuerungen werde verhindert, dass Personen untertauchen, bevor sie abgeschoben werden könnten.
Kritik von Grünen und CDU an Abschiebegesetz der Ampel
Die Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, Katharina Stolla, warnte dagegen: "Das Abschiebegesetz bedeutet eine unfassbare Entrechtung von Menschen, die eigentlich dringend Schutz bräuchten", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag). Aus ihrer Sicht lässt sich die Bundesregierung von Rechten treiben.
Der Grünen-Europaparlamentarier Erik Marquardt hatte den Gesetzentwurf bereits am Mittwoch infrage gestellt. Grund dafür waren mehrere Gutachten von Juristen, die befürchten, dass Seenotretter und andere Menschen, die Geflüchteten unentgeltlich helfen, eine Grenze zu überqueren, künftig strafrechtlich verfolgt werden könnten. Mit dieser Gesetzesordnung folge man "einer Agenda der Rechten, mit der humanitäre Hilfe kriminalisiert werden kann". Dies sei gerade in Zeiten wie diesen ein völlig falsches Signal. Marquardt forderte seine Partei dazu auf, das Gesetz nachzuverhandeln.
Von der Union gab es am Mittwoch ebenfalls kritische Worte. "Die Grünen schreiben eine Pflicht ins Gesetz, Anwälte vor Ausreisegewahrsam über die Maßnahmen zu informieren – damit werden die Ausreisepflichtigen aber über alle Berge sein, wenn sie in Haft genommen werden sollen", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). Das Rückführungsverbesserungsgesetz sei in Wirklichkeit ein "Rückführungsverschlechterungsgesetz".
Warum Abschiebungen bisher so schwierig sind und was die Pläne bringen könnten – ein Überblick:
Wie viele Menschen waren zuletzt ausreisepflichtig?
Ende Dezember waren laut Bundesinnenministerium 242.642 Menschen ausreisepflichtig. Allerdings hatten davon 193.972 eine Duldung zum Verbleib in Deutschland. Damit war die Abschiebung in vier von fünf Fällen vorerst ausgesetzt. Gründe können die Sicherheitslage im Herkunftsland, Kinder mit Aufenthaltserlaubnis, eine begonnene qualifizierte Berufsausbildung, Krankheit oder das Fehlen von Pass- und Reisedokumenten sein.
Aus diesen Ländern beantragen die meisten Menschen Asyl in Deutschland

Zwischen Neujahr und Ende Mai 2024 haben 1623 Menschen aus Guinea in Deutschland einen Asylantrag gestellt.
Wie viele Abschiebungen gab es 2023?
Im vergangenen Jahr wurden laut Innenministerium 16.430 Menschen abgeschoben. Dies waren 27 Prozent mehr als 2022. Damals hatte es 12.945 Abschiebungen gegeben – acht Prozent mehr als im Jahr zuvor.

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Warum scheitern viele Abschiebungen?
Im vergangenen Jahr sind 31.770 geplante Abschiebungen gescheitert. Damit waren zwei Drittel der vorgesehenen Rückführungen nicht erfolgreich. Gründe waren unter anderem ausgefallene Abschiebeflüge, dass ausreisepflichtige Ausländer nicht auffindbar waren, dass der Zielstaat die Aufnahme verweigerte oder medizinische Probleme.
Welche zusätzlichen Befugnisse erhält die Polizei durch das neue Rückführungsgesetz?
Durchsuchungsmöglichkeiten für die Polizei werden erweitert. Das gilt einerseits für die Suche nach Dokumenten und Daten zur Identität des Betroffenen, um etwa seinen Heimatstaat festzustellen. Andererseits sollen Beamte in Gemeinschaftsunterkünften künftig auch andere Räume als das Zimmer des Abschiebepflichtigen durchsuchen dürfen. Auch die Abholung von Betroffenen zur Nachtzeit soll fortan möglich sein, etwa wenn ein durch einen anderen Staat organisierter Abschiebeflug am frühen Morgen startet.

Welche Haftmöglichkeiten werden erweitert?
Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden. Dies gibt Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten, und soll das "Untertauchen des Abzuschiebenden" verhindern. Darüber hinaus wird ein eigenständiger Haftgrund bei Verstößen gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote geschaffen. Dies betrifft Ausländer, die zunächst erlaubt nach Deutschland eingereist sind und später ausreisepflichtig geworden sind. Zudem wird die Möglichkeit der sogenannten Mitwirkungshaft auf Fälle ausgeweitet, bei denen ein Ausländer Angaben zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit unterlässt.
Wie soll die Abschiebung von Schleusern beschleunigt werden?
Im Aufenthaltsgesetz sollen Regelungen geschaffen werden, die ihre Ausweisung erleichtern. Ein "besonders schweres Ausweisungsinteresse" soll dabei künftig vorliegen, wenn es zu einer Verurteilung wegen Schleusung von mindestens einem Jahr kam. Strafen für Schleuser sollen zudem generell verschärft werden.
Können Clanmitglieder auch unabhängig von einer Verurteilung abgeschoben werden?
Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah vor, dass ein neuer Ausweisungstatbestand für ausländische Angehörige von Banden oder kriminellen Clans geschaffen werden soll – und dieser auch "unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung" greifen soll. Hierzu kommt es nun voraussichtlich nicht. Ein Änderungsantrag der Ampel-Parteien setzt vielmehr vor allem bei innerhalb eines Jahres "mehrfach rechtskräftig" verurteilten Intensivtätern an.
Wie sieht es mit antisemitischen Straftaten aus?
Nach den Änderungsplänen der "Ampel" wird ausdrücklich festgehalten, dass ein in einem Urteil festgestellter antisemitischer Beweggrund für eine Tat ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründet. Dies gilt demnach auch für rassistische, fremdenfeindliche, geschlechtsspezifische oder gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe.
Wird das Paket Abschiebungen tatsächlich beschleunigen?
Auch das Innenministerium rechnet nicht mit einer exponentiellen Zunahme von Abschiebungen: "Es wird angenommen, dass durch die Verschärfung der Ausreisepflicht die Anzahl der Abschiebungen um rund 600 (fünf Prozent) steigen wird", heißt es in dem Gesetzentwurf. Und auch die Bundesregierung ist sich bewusst, dass ein verschärftes Abschieberecht nur eine Seite der Medaille ist: Denn ohne aufnahmebereite Herkunftsländer sind Abschiebungen nicht möglich.