Abwasch der Woche Joschka, Lothar und die klärende Faust

30 Jahre Grüne - und wo turnt Fischer rum? Beim Lions-Club. Ähnlich liebevoll sind die Beziehungen Mathäus-Liliana und Merkel-Seehofer-Westerwelle. Zeit für den Abwasch.

So ist das mit den guten Vorsätzen. Da beschließt man zu Silvester: 2010 wird das Jahr des barmherzigen Schweigens; kein Wort mehr über all die Laberlothars, Bohlendieters und Sabbelsöders dieser Welt. Ab jetzt kümmern wir uns nur noch um den wahnhaften Ernst des Lebens. Um Merkel, Mehrwertsteuer, Mindereinnahmen. Man muss auch leiden können.

Tja, und dann kommt Neujahr und unser Lieblingslothar Matthäus vom Alleinfeiern aus Moskau zurück und was sollen wir sagen? Asche auf unser Haupt! Schon ist Schluss mit unlustig: Yeah! Musike! Winter olé, Scheiden tut weh. Ende der inneren Einkehr und auf ihn mit Gebrüll.

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Damit auch die Ungläubigen im Bild sind, kurz mal die Fakten referiert: Während Lothar Matthäus, 48, in Moskau böllerte, ließ seine Viertgattin Liliana, 22, es lieber alleine beziehungsweise nicht ganz so alleine, aber jedenfalls ohne den ihr angetrauten Gemahl in Kitzbühel, äh, "krachen" ("Bunte"), was den multiplen Rekordnationalspieler (Länderspiele, Stilblüten, Eheschließungen, geplatzte Trainerjobhoffnungen) schon mal an Matthäus 5.26 ("Amen, das sage ich dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du den letzten Pfennig bezahlt hast") denken ließ - okay, das ist jetzt eine gemeine Unterstellung. Jedenfalls versuchte er kurz darauf seine rhetorischen Vorwärtsverteidigerqualitäten auszuspielen, was aber leider mal wieder fürchterlich in die Hose ging. "Eigentlich hält man sich in einer solchen Situation bedeckt", zitiert ihn die "Bunte", das Fachorgan für emotionale Extremzustände aller Art. "Aber man kann es meiner Frau ja nicht nachsehen, dass sie als 22-Jährige auch mal rausgehen und tanzen möchte."

Und unsereins kann es dem unfreiwillig Unnachsichtigen einfach nicht übelnehmen, dass er in einer solchen Situation den Sand nicht in den Kopf stecken möchte. Oder wie der Drääner früher immer sachte: Geht's einfach raus auf den Platz und tanzt.

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Es ist übrigens jetzt keine Gemeinheit, sondern wieder mal purer Zufall, wenn wir nun kurz auf einen anderen seriellen Eheschließer zu sprechen kommen: Joschka Fischer, der sich inzwischen im Berliner Grunewald eingerichtet hat, nur einen guten Steinwurf weg von den Leuten, die er früher nicht mal verprügelt hätte. Er hat es sich verdient. Und darum wollen wir auch gar nicht lange auf ihm rumhacken, sondern nur ganz nüchtern auf eine wunderschöne, sagen wir mal: zufällige Terminüberschneidung an diesem Sonntag hinweisen, an dem die Grünen, die es sich ja auch längst in dieser Republik behaglich gemacht haben, ihren 30. Geburtstag feiern, unter anderem mit dem Gaststar Theo Zwanziger vom Deutschen Fußballbund (Lothar Matthäus wäre sicher auch gerne gekommen, aber an ihn hat mal wieder keiner gedacht...), was einen doch etwas wehmütig an dessen Vorgänger Gerhard Meyer-Vorfelder denken lässt, der sich eher ein Loch ins Toupet gebrannt hätte als auf solchen Veranstaltungen rumzupinschern.

Und was sollen wir sagen: Dem Fischer Joschka geht's mittlerweile genauso. Der kann nämlich am Sonntag leider, leider auch nicht. Er hat anderweitige gesellschaftliche Verpflichtungen. Wenn die Einladung, die uns ereilt hat, keine Satire ist (und es spricht wirklich nichts dafür), dann hat der Herr Bundesminister a.D. und laut berechtigter Selbsteinschätzung " einer der letzten Live-Rock-n-Roller der deutschen Politik" sich ein paar Kilometer weiter südwestlich im Berliner Gasometer als Gastredner beim Neujahrsempfang des Lions-Clubs District "111 Nord-Ost" verpflichtet, just während seine, nun ja, Parteifreunde in der Heinrich-Böll-Stiftung jubilieren. Auch 'ne Alternative. Selbst Elvis Presley ist ja in seinen fetteren Jahren in Las Vegas aufgetreten. Oder um es mit Frank Zappa zu singen: We´re only in it for the money.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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In ihrem innerparteilichen 30jährigen Krieg ist den Grünen übrigens doch der eine oder andere kluge Kopf abhanden gekommen. Jürgen Trittin und Renate Künast dagegen haben überlebt und antworten auf die Frage von "Bild", ob der Partei nicht eine Rampensau wie Fischer fehle, ganz selbst- (bitte Zutreffendes ankreuzen: -bewusst, -gerecht, -gefällig): "Wir hatten ohne Fischer das beste Ergebnis unserer Geschichte."

Wie man das nennt? Verraten wir nicht. Wir verweisen nur darauf, dass sich manche Säue noch an Eichen schubbern, wenn die schon längst gefällt sind.

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Und nun, es hilft ja alles nichts, müssen wir doch noch kurz auf die aktuelle Oppositionsarbeit gegen die Regierung eingehen. Das Schnellgericht tagt und kommt zu folgendem Urteil: Kann man wirklich nicht meckern, wie CSU, FDP und CDU (in der Reihenfolge des Einlaufs) gegen die Arbeit der schwarz-gelben Koalition anstänkern (auf Bespiele verzichten wir mal, gibt ja quasi stündlich neue) und nach mehr Führung der Kanzlerin rufen: Angie, oh, Angie, where will it lead us from here?

Wo laufen sie denn hin... Aber was soll sie sagen? Hat sie überhaupt was zu sagen? Na klar, sagt sie. Den Sternsingern im Kanzleramt verriet Angela Merkel diese Woche ihre Lesart der Richtlinienkompetenz: "In bestimmter Weise habe ich auch was zu sagen, aber ich kann viel sagen, wenn nicht andere mitmachen und wenn wir nicht bestimmte Dinge auch gemeinsam unternehmen."

Tja, was soll man dazu sagen? Vielleicht, dass Willy Brandt das vor gut 20 Jahren auch nicht wesentlich anders gesehen, aber ungleich eleganter ausgedrückt hat: "Ich halte nichts von einer teutonischen Pseudo-Autorität, die durch den Schlag mit der Faust auf den Tisch demonstriert wird. Den Tisch beeindruckt der Faustschlag wenig. Wen sonst?"

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Wenigstens haut der Tisch nicht zurück. Uns fällt da, nur wegen Angie natürlich, eine unserer Lieblingsanekdoten aus der Rubrik Sex and Drugs and Rolling Stones ein. 1984, ein Hotel in Amsterdam, fünf Uhr in der Früh. Mick Jagger hat sich schwer einen eingetütet, sitzt in seinem Zimmer und verspürt Sehnsucht nach Gesellschaft. Also klingelt er - Motto: Es reicht nicht, eine dicke Lippe zu haben, man muss auch bereit sein, sie zu riskieren - den Kollegen Charlie Watts aus dem Schlaf und krakeelt ins Telefon: "Izzat my drummer, then? Where´s my fucking drummer?"

Dann passiert - erst mal nichts. Nach einer Weile klopft's an Jaggers Tür, Watts kommt rein, schnappt sich Jagger und verplättet ihm hastdunichtgesehn derart eine mit seiner Rechten (einer schönen englischsprachigen Quelle zufolge: cold-cocked him right in the kisser), dass der rücklings in ein Tablett mit Lachsschnittchen fällt. "Don't ever call me your drummer again. You are my fucking singer!", sagt Watts ganz ruhig, dreht sich um und geht wieder schlafen.

Das nennen wir mal ein klärendes Gespräch, nicht zu verwechseln mit Krisengipfel im Kanzleramt. Was die Geschichte übrigens noch schöner macht: Bevor Watts losmarschierte zu Jagger, rasierte er sich, stieg in den Anzug und band sich eine Krawatte um. Zuschlagen mit Stil.

Das ist der große Unterschied zwischen Zivilisation und Barbarei! Oder ins Politische übersetzt: Mehr Obama, weniger Bush! (Wir wollen's uns schließlich nicht mit allen hierzulande verderben...)

Soviel für heute zum Thema Führung und Autorität. Und jetzt: Rock'n'Roll!