Rechtsextremismus Ein Verbotsverfahren wäre für die AfD das perfekte Geschenk

AfD-Chefin Alice Weidel
AfD-Chefin Alice Weidel
© Bernd Elmenthaler / Imago Images
Die AfD ist eine völkische Partei, sie kultiviert eine Politik des Hasses, der Spaltung. Aber ein Verbotsverfahren wäre gefährlich.

Dieser Meinungsbeitrag ist Teil einer Pro/Contra-Debatte zur Diskussion rund um das Geheimtreffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremen. Die Frage: Soll die AfD verboten werden oder nicht? Den Pro-Part zu diesem Contra-Stück finden Sie unter diesem Link.

Die AfD hat völkische Fantasien. Sie hat Chefs, die vom Umsturz träumen, Landesvorsitzende, die offen rechtsextrem argumentieren, Abgeordnete, die sich mit Neonazis heimlich zum Brainstorming darüber treffen, wie man Millionen Deutsche mit Migrationsgeschichte nach Nordafrika vertreiben könnte. Nein, die AfD ist keine normale Protestpartei. Sie ist eine Gefahr für dieses Land.

Insofern ist es verständlich, dass jetzt wieder nach einem Verbotsverfahren gerufen wird. Aber darauf zu setzen, sie juristisch aus dem Weg räumen zu können, wäre aus drei Gründen falsch.

Erstens könnte es eine bessere Wahlkampfhilfe für die extreme Rechte kaum geben. Ein Verbotsverfahren wäre für die AfD schon deshalb ein Geschenk, weil es von der Bundesregierung, dem Bundestag oder dem Bundesrat vorbereitet werden müsste. Wenn ausgerechnet jene Kräfte, denen gerade kaum noch jemand vertraut, sich anschicken, einem populären Gegner die Betriebserlaubnis zu entziehen, müsste man sich über weitere Solidarisierungswellen für die AfD nicht wundern.

Eine juristische Hochrisiko-Operation

Zweitens wäre ein Verbotsverfahren eine juristische Hochrisiko-Operation. Ohne Frage: In der AfD herrscht kein Mangel an widerlichen Positionen, auch Belege für Haltungen, die mit der Grundordnung unvereinbar scheinen, gibt es viele. Nur sind sie in der Regel weniger in offiziellen Programmen zu finden, als in Pamphleten von Abgeordneten, in Videos von Helfern, in Parolen von Funktionären. 

Ob sich aus diesem Mosaik des Schreckens eine geschlossene Parteiideologie belegen lässt, ist höchst unsicher. Das Scheitern eines Verfahrens könnte die AfD wie eine staatliche Zulassung deuten. Und die Partei würde sich schneller normalisieren, als wir gucken können.

Drittens geht es um den Faktor Zeit. Wer jetzt ein Verbot fordert, erweckt den Anschein, die Partei könne alsbald von der Bildfläche verschwinden. Zur Erinnerung: Das letzte NPD-Verbotsverfahren dauerte rund vier Jahre. Selbst wenn ein Verfahren gegen die AfD schneller gehen sollte, dürfte allein schon der Antrag für das Verbot Monate an Arbeit verschlingen. Bis die erste Verhandlung angesetzt wird, dürfte die nächste Bundestagswahl vorüber sein – und die AfD ein Mobilisierungsthema mehr haben.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die etablierten Parteien sollten sich mal besinnen

Nein, die AfD muss beobachtet werden, Einzelpersonen, auch Gliederungen müssen im Zweifel die ganze Härte des Rechtsstaats spüren, gerne auch noch stärker als bislang. Aber die Partei als Ganzes muss politisch bekämpft werden. 

Ihr Programm schadet dem Land. Ihre Pläne würden die Gesellschaft innerlich zerfressen, uns sozial und wirtschaftlich in größte Schwierigkeiten bringen. Die Mitte der Gesellschaft hat die Aufgabe, endlich auszuleuchten, wie die AfD, die die Rückkehr zur Nation predigt, diese in Wahrheit zerstören würde. Und die etablierten Parteien müssen langsam selbst mal daran arbeiten, wieder attraktiver zu werden. Programmatisch, personell, stilistisch. 

Es ist kein Naturgesetz, dass die Zukunft den Populisten gehört. Das konnte man gerade erst sehen: am Wahlausgang in Polen.