Die SPD-Führung rechnet ungeachtet der anhaltenden Gewerkschaftskritik an diesem Montag bei einem Treffen von Partei- und Fraktionsvorstand mit klarer Unterstützung für den Reformkurs von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Nach dpa-Informationen will Schröder bei der Sitzung einen Leitantrag-Entwurf für den SPD-Sonderparteitag vorlegen, der seine angekündigten umstrittenen Einschnitte beim Arbeitslosen- und beim Krankengeld ohne Abstriche aufgreift. Nach den Änderungsforderungen aus der SPD regt sich nun auch bei der Parteilinken der Grünen Widerstand. Ihre Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und Winfried Hermann kündigten an, sie wollten sich mit den Schröder-Kritikern in der SPD zusammentun.
Begründung soll Kritiker überzeugen
Schröder kommt im Begründungstext des Leitantrages seinen Kritikern inhaltlich weit entgehen, wirbt aber zugleich um Verständnis für die Maßnahmen, zu denen er keine Alternativen sehe. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) kündigte unterdessen an, er wolle die vorgesehene Lockerung des Kündigungsschutzes nach fünf Jahren auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen lassen.
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte der dpa, die Begründung des Antrages sei so geschrieben, dass sie auch die parteiinternen Kritiker überzeugen werde. Die einzelnen Maßnahmen seien konkret formuliert und im Zusammenhang dargestellt.
Müntefering rechnet mit Mehrheit
SPD-Fraktionschef Franz Müntefering rechnet mit einer eigenen rot- grünen Mehrheit für die Reformpläne im Parlament. "Wir müssen eine eigene Mehrheit haben", sagte er am Sonntag im ZDF. Dessen sollten sich auch die Reformkritiker unter den Abgeordneten bewusst sein. Im Bundestag liegen SPD und Grüne vier Stimmen über der absoluten Mehrheit von 302 Stimmen. CDU-Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel schloss im ZDF eine Zustimmung zu dem Reformpaket aus, sollte der Kanzler wie angedeutet die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verknüpfen. Grundsätzlich gingen aber die Reformen in die richtige Richtung, reichten aber noch nicht aus.
Kanzler-Unterstützung durch SPD-Anhänger
Nach einer Emnid-Umfrage für den "Focus" kann Schröder bei seinen Reformplänen auf die breite Unterstützung der SPD-Anhänger bauen. Drei Viertel der SPD-Sympathisanten stützen danach den Kanzlerkurs. Zugleich sprachen sich aber auch 80 Prozent für die von der SPD- Spitze abgelehnte Mitgliederbefragung aus. Müntefering sagte dazu im ZDF, sollte der Sonderparteitag wie erwartet den Reformkurs stützen, sei das Mitgliederbegehren nicht mehr notwendig.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Parteilinke bekräftigten Kritik
Die Sprecherin der Parteilinken, Andrea Nahles, bekräftigte im NDR ihre Kritik an den Schröder-Plänen, die die Masse der Arbeitnehmer im Gegensatz zu den Besserverdienenden zu stark belaste. Gleichwohl müsse innerhalb der SPD auf einander zu gehen und "eine Linie finden", mit der die ganze Partei leben könne. Die Parteispitze der Grünen steht nach Angaben ihres Chefs Reinhard Bütikofer voll hinter dem Schröder-Konzept. Über konkrete Details, etwa beim Arbeitslosengeld, werde man in der Koalition noch sprechen, sagte Bütikofer nach einem Treffen der Grünen-Parteispitzen aus Bund und Ländern. Einzelne kritische Äußerungen, wie die von Ströbele in der "Welt am Sonntag", stellten das Reformpaket nicht grundsätzlich in Frage, sondern zielten nur auf die Art der Umsetzung, erklärten Bütikofer wie der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck.
Gewerkschaften kämpferisch
Die Gewerkschaften wollen sich nach Angaben von DGB-Chef Michael Sommer nicht mit kleineren Zugeständnissen der Bundesregierung zufrieden geben. "Die Grundrichtung stimmt einfach nicht", sagte er der "Welt am Sonntag". Die Pläne seien nur dann überhaupt diskussionsfähig, wenn sie mehr aktive Wirtschaftspolitik und weniger Sozialabbau beinhalteten. IG-Metall-Sprecher Claus Eilrich schloss im "Tagesspiegel" Demonstrationen der Gewerkschaften in den Landeshauptstädten nicht aus, sollte die Regierung nicht einlenken. Mit Spannung wird dabei die zentrale DGB-Kundgebung am 1. Mai in Hessen erwartet, bei der Schröder und Sommer gemeinsam als Redner auftreten sollen.