Analyse Der Quasi-Aufbruch von Meseberg

  • von Hans Peter Schütz
Mit großem Trara trifft sich das Kabinett Merkel im vormaligen Lustschloss Meseberg. Die Botschaft lautet: In der zweiten Halbzeit packen wir's noch mal! Wir haben noch etwas vor. Tatsächlich aber fehlt es Union und SPD an gemeinsamen Projekten, die Ehe ist zerrüttet.

Kurt Beck verdanken wir die rätselhafte Wortschöpfung vom "Quasi-Durchbruch." Was der SPD-Chef damit genau gemeint hat, bleibt wie so oft bei ihm unklar. Ist die Große Koalition jetzt durch beim Mindestlohn, weil er für die Postboten irgendwie verabredet worden ist? Oder steckt man immer noch drin in der Malaise? Und wenn ja, wie weit ist das Licht des Durchbruchs denn noch entfernt?

Eigenlob auf hohem Niveau

Für das Spektakel, das heute Nachmittag und morgen auf Schloss Meseberg inszeniert wird, muss mit weiteren Quasi-Durchbrüchen gerechnet werden. Leider. Denn was die Viererbande Merkel, Stoiber, Beck und Müntefering am Montagabend verabredet hat, war, wie zurecht kritisiert worden ist, vor allem Eigenlob auf hohem Niveau. Ein neues Projekt, dessen die übergroße Mehrheit der Koalition im Bundestag sowie im Bundesrat wirklich bedürfte, wurde nicht verabredet. Ob Edmund Stoiber seinen Transrapid zum Münchner Flughafen nun bekommt, auf Steuerzahlers Kosten natürlich, oder nicht - wen juckt das im Rest der Republik?

Es bleiben eher zweitrangige Aufgaben

Die Große Koalition hat in ihren ersten zwei Jahren einige Großprojekte durchgezogen. Zusammengestümpert kann man bei genauer Betrachtung etwa der Gesundheitsreform oder der Rente 67 auch sagen. Inzwischen fehlt dem Bündnis jedoch die übergreifende Botschaft. Es bleiben aus dem Koalitionsvertrag eine Reihe eher zweitrangiger Aufgaben. Aber selbst darüber wird intensiv gestritten. Die chaotische Diskussion über die Bahn-Privatisierung ist symptomatisch für die innere Beziehung von Union und SPD. Die Ankündigung der Kanzlerin, man werde in Meseberg die Weichen "für ein zukunftsfähiges Deutschland für die nächsten Jahre und Jahrzehnte" stellen, formuliert vor diesem Hintergrund einen Anspruch, über den man nur den Kopf schütteln kann. Man wäre ja schon froh, wenn die Koalition sich in ihrer Klausur auf ein konkretes Restprogramm für die nächsten zwei Jahre einigen könnte.

Was zu tun bliebe

Themen dafür gibt es genug: Die Erbschaftssteuer, die in der derzeitigen Form verfassungswidrig ist. Die Kinderbetreuung und die Frage des Betreuungsgelds für Eltern, die ihre Kinder zuhause betreuen. Die Senkung der Arbeitslosenversicherung auf mindestens 3,9 Prozent, womit die steuergeschröpften Bürger endlich auch wieder einmal von der boomenden Konjunktur und den Milliarden profitieren würden, die sich bei der Bundesagentur für Arbeit anhäufen. Die Afghanistan-Frage, die man jetzt wieder einmal auf der Zeitachse verschoben hat, um eine ehrliche inhaltliche Diskussion über Sinn und Unsinn dieses Engagements wie schon in den vergangenen Jahren zu vermeiden. Der Investivlohn, den die Koalition nach bewährter Manier jetzt erst einmal auf die lange Bank einer Arbeitsgruppe geschoben hat. Davon wird nach Meseberg nicht die Rede sein.

Ein gemeinsamer politischer Wille ist nicht erkennbar

Die frohen Botschaften, die Angela Merkel und Franz Müntefering morgen mit überaus zufriedenen Mienen verkünden werden, kennt das interessierte Publikum inzwischen zur Genüge. Ein so genanntes Klimaschutzprogramm, bei dem man allerdings erst einmal abwarten muss, was davon wirklich umgesetzt wird. Denn in vielen Punkten wehren sich die Länder gegen die Vorschläge des Bundes. Autofahren wird noch ein bisschen teurer werden. Dann will man den Energieverbrauch in Gebäuden reduzieren. Also her mit den Energiesparbirnen und weg mit Stromfressern wie Nachtspeicheröfen. Kleinkram.

Bis jetzt ist kein gemeinsamer politischer Wille erkennbar, der die beiden Partner wirklich noch verbindet. Union und SPD bleiben zusammen wie ein Ehepaar, das um die Zerrüttung der Beziehung weiß, aber die Kosten der ehrlichen Scheidung scheut. Beide Seiten wissen: Wer jetzt die Koalition aufkündet, wird bei Neuwahlen abgestraft. Also sucht jede Seite nach Ausgangspositionen für den Wahlkampf 2009, mit dem man sich gegen den Partner von heute für morgen profilieren kann. Taktische Überlegungen bestimmen das Denken auf beiden Seiten. Wie jedoch soll unter dieser Voraussetzung mehr herauskommen als ein Quasi-Aufbruch?