Angela Merkel Lieber Dienstende als Dienst ohne Ende

  • von Sebastian Christ
Antworten? Welche Antworten? Angela Merkel blieb auf dem letzten Pressetermin vor der Sommerpause witzig und doch vage. Sie freute sich sichtlich auf ihren Sommerurlaub - während die Berliner Opposition noch einmal zur Verbalkeule griff und ordentlich zuschlug.

Mit Angela Merkels Pressekonferenzen ist das meistens so: Man erwartet ein tolles Konzert - doch alles, was man zu sehen bekommt, ist eine begnadete Luftgitarrenvirtuosin.

Heute zum Beispiel. Sommerpressekonferenz in Berlin, Angela Merkel eingerahmt von zwei Sprechern. Mehrere Hundert Medienvertreter waren gekommen, darunter über ein Dutzend Fernsehteams. 50 Fragen. Sie ist charmant, auf ihre Art, und brilliert mit knüppeltrockenem Witz. Forsche Frage eines ausländischen Reporters, in Anspielung auf die handgreiflichen Annäherungsversuche von George W. Bush beim G8-Gipfel in St.Petersburg: "Würden sie sich von Barack Obama die Schultern massieren lassen?" Merkel lächelt vielsagend und stelzt: "Ich würde mich jedenfalls nicht sperren. Es wird mit Sicherheit mit dem neuen Mann im Weißen Haus ein hohes Maß an Kontinuität stattfinden." Zu Christian Wulffs Aussage, er sei kein Alphatier und nicht für das Kanzleramt geeignet: "Es ist so, dass das Amt des Bundeskanzlers das wohl anstrengendste Amt in Deutschland ist. Ansonsten habe ich es nicht so mit Tiervergleichen."

Das ist die eine Seite. Wenn es jedoch zur Sache geht, wirkt Merkel oft einsilbig. Was sie nun konkret von Obama hält? "Wer sich durch die Primaries geschlagen hat, ist schon mit guten Kräften ausgestattet." Noch ein Merkel-Sinnsatz: Was sie zur Entführung der deutschen Bergsteiger in der Türkei sagt? "Ich hoffe nicht, dass es sich wiederholt, weil es keinem nützt."

"Zusammensetzen und zusammenraufen"

Die Kernbotschaft ihres eineinhalbstündigen Auftritts fiel in den ersten fünf Minuten und lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Es gibt noch viel zu tun, packen wir es an. "Wir sind im dritten Jahr der Koalition naturgemäß in einer Phase, wo mehr Gesetze durch das Parlament gebracht werden müssen als in der Anfangsphase", sagte sie, im Hinblick auf die Arbeit der großen Koalition nach der Sommerpause. "Ich erwarte, dass wir uns zusammensetzen und zusammenraufen", so die Kanzlerin weiter. "Ich erwarte mir eine Politik, von der die Menschen sagen: Die bemühen sich. Wenn wir diesen Willen nicht zusammen hinbekommen, dann wird sich das bei der nächsten Wahl bemerkbar machen."

Sie bleibt beim Nein zur Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale, beim vorsichtigen Ja zur Atomkraft und zieht insgesamt eine positive Bilanz nach beinahe drei Jahren Großer Koalition: "Es hat sich als richtig erwiesen, dass wir den Slogan gewählt haben: 'Investieren, reformieren, sanieren'", so Merkel. Mit Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sagte sie: "Wir können uns nicht völlig von internationalen Entwicklungen abkoppeln, aber wir stellen fest, dass wir mittlerweile um einiges unabhängiger dastehen."

"Merkels Eigenlob stinkt"

Kritik hagelte es erwartungsgemäß von der Opposition. "Merkels Eigenlob stinkt", schrieben die Grünen-Vorsitzenden Reinhard Bütikofer und Claudia Roth in einer Pressemitteilung. "Die Bundeskanzlerin hat eine merkwürdige Zwischenbilanz ihrer Großen Koalition gezogen. Nicht 'investieren, sanieren und reformieren', sondern 'abkassieren, rumlavieren und blockieren' ist der zentrale Dreiklang dieser Großen Koalition", hieß es weiter. "Merkels bockige Verweigerungshaltung beim Mindestlohn vor allem im Bereich der Zeitarbeit ist ein Hohn, insbesondere angesichts der inflationären Entwicklung."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auch Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der Linken, griff Merkel scharf an. "Die Kanzlerin redet sich die Realität schön und versucht, sich im Klein-Klein zu sonnen. Ihr heutiger Auftritt erinnerte an die Sendung 'Wünsch Dir was'. Ihre Politik ist völlig ohne strategische Idee. Große Linien sind nicht erkennbar, die dringenden Fragen der Mehrzahl der Menschen bleiben unbeantwortet", so Bartsch. "Frau Merkel sagt auf der Pressekonferenz, die Menschen sollten über die Arbeit der Großen Koalition sagen: 'Die mühen sich.' Das erinnert mich an frühere Zeugnisausgaben, wo man manchmal lesen konnte: Sie war stets bemüht, hat aber das Klassenziel nicht erreicht. Die Zeit der Großen Koalition sollte möglichst schnell zu Ende gehen - je eher, desto besser."

Und Merkel geht in der Tat. In den Urlaub. Nach dem Obama-Empfang morgen früh im Kanzleramt wird sie nach Bayreuth fahren, um sich dort die Wagner-Festspiele anzuhören. Danach geht sie mit ihrem Ehemann in die Berge zum Wandern. Ob sie sich morgen die Berliner Rede des US-Präsidentschaftskandidaten anschauen wird? "Da bin ich hoffentlich schon in Bayreuth. Und vielleicht schalte ich auch den Fernseher ein." Präzise formuliert.