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"Anne Will" Spahn teilt nach Wahl-Debakel gegen Ampel aus – während die SPD sich im Leugnen übt

Die Talk-Runde bei Anne Will
Die Talk-Runde bei Anne Will: Schnell sicherte sich Jens Spahn die unliebsame Rolle des stichelnden Fünftes Rades in der Ampel-Gruppe
© © NDR/Wolfgang Borrs
In Nordrhein-Westfalen fahren SPD und FDP historisch schlechte Ergebnisse ein. Doch wer ist dafür verantwortlich? Ex-Bundesgesundheitsminister Spahn teilt bei Anne Will kräftig aus, SPD-Chef Klingbeil strauchelt. 

Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen rüttelt an der Ampelkoalition: Während CDU und Grüne als Gewinner gelten, fahren SPD und FDP historisch schlechte Ergebnisse ein. Dass die beiden Regierungsparteien bei der "kleinen Bundestagswahl" im bevölkerungsreichsten Bundesland so schlecht abschneiden, wirft auch Fragen in Richtung der Bundesregierung auf. Besonders SPD-Vertreter Lars Klingbeil kann sich bei "Anne Will" nur schwer verteidigen.

Am Sonntag direkt im Anschluss zur NRW-Wahl diskutieren in der ARD-Talkshow von Anne Will:

  • Jens Spahn (CDU), ehemaliger Bundesgesundheitsminister

  • Lars Klingbeil, SPD-Parteichef

  • Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen

  • Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion

  • Mariam Lau, Journalistin ("Die Zeit")

Die CDU um Ministerpräsident Hendrik Wüst gewinnt, die Grünen fahren ein historisches Top-Ergebnis ein, die SPD eine historische Niederlage, der bisherige Koalitionspartner FDP schrammt nur knapp am Rausflug aus dem Landtag vorbei. Das ist die Bilanz der NRW-Wahl am Sonntag. 

Besonders SPD-Vertreter Lars Klingbeil, dessen Partei noch Ende 2021 ein "sozialdemokratisches Jahrzehnt" prophezeit hatte, landet bei Will auf dem harten Boden der Tatsachen. Nur eingestehen will er sich das offensichtlich noch nicht: "Wir hätten gerne mehr geholt", gibt Klingbeil zu. An einer möglichen Regierungsbeteiligung der SPD in NRW und einem Ministerposten von Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hält er dennoch fest. "Herr Wüst muss schauen, ob er die Mehrheiten hinbekommt", so Klingbeil. Tatsächlich könnte sich auch in NRW eine Ampel-Koalition bilden. 

FDP gesteht "bittere Wahlniederlage" ein 

Christian Dürr gibt sich dagegen geläuterter: "Für die FDP ist das eine bittere Wahlniederlage", sagt er. Besonders ärgere er sich darüber, dass die Partei bei den älteren Wählenden so schlecht abgeschnitten habe. Aber: "Als Liberaler hat man Nerven wie Drahtseile", stellt Dürr fest. Nach dem Debakel bei der Schleswig-Holstein-Wahl am vergangenen Sonntag (minus 5,1 Prozentpunkte) spricht er da aus Erfahrung. 

Größter Streitfaktor: Spahn gegen Klingbeil

Doch wer trägt Schuld an der wiederholten Schlappe von SPD und FDP? Schnell sichert sich Jens Spahn die unliebsame Rolle des stichelnden Fünftes Rades in der Ampel-Gruppe bei Will. Besonders in Richtung seines ehemaligen GroKo-Kollegen von der SPD verteilt er Spitzen. 

So zeigt er sich überrascht über die Regierungshoffnungen der SPD in NRW. Nach dem historisch schlechtesten Ergebnis der Union bei der Bundestagswahl 2021 hätten sich die Parteien Zeit genommen, um aus den Ergebnissen etwas abzuleiten und zu lernen. "Das wünsche ich mir auch von der SPD", sagt Spahn schmunzelnd. 

Auch in Richtung des SPD-Bundeskanzlers Olaf Scholz schießt der CDU-Politiker: Überall in NRW habe er Wahlplakate mit dem Abbild des Kanzlers gesehen, dabei habe der sich kaum zu den in den Wahlumfragen relevanten Themen wie Preissteigerungen geäußert. "Ich habe zur Frage, wie wir mit der Inflation umgehen wollen, vom Kanzler noch nicht einmal etwas gehört", sagt Spahn. Dem muss selbst Will zustimmen.

Klingbeil scheint sein einstiger GroKo-Kollege damit nicht zu beeindrucken: "Man merkt, Herr Spahn ist in der Oppositionsrolle angekommen und es macht ihm auch sichtlich Spaß", sagt er. 

Trägt Bundeskanzler Scholz Schuld am NRW-Debakel?

Tatsächlich bringen die Überaktivität des Kanzlers bei seiner gleichzeitig scheinbaren Inaktivität auf Bundesebene den SPD-Politiker Klingbeil gleich mehrmals in die Bredouille. Auf Mariam Laus Vorwurf hin, der Kanzler kommuniziere intransparent und teilweise sogar arrogant, hat Klingbeil keine konkrete Antwort. 

"Politiker sind unterschiedlich in ihrer Kommunikation", strauchelt er. "Wenn es am Ende des Krieges heißt, dass der Bundeskanzler mal eine oder zwei Wochen zu wenig kommuniziert hat, ist das für mich fein." Und man kommt nicht umhin sich zu fragen, ob manche SPD-Wählenden ihrer Partei womöglich wegen dieser Einstellung den Rücken zukehren. 

Klingbeils Ampel-Kollegen Christian Dürr und Ricarda Lang springen ihm dagegen bei. Vor allem Lang empfindet das NRW-Debakel nicht als Schaden für den Bundeskanzler – und auch nicht für die Ampel. Eine stabile Bundesregierung sei wichtiger als der Wettbewerb untereinander. Auch Dürr will bundesweiten Projekten Vorrang gebe. "Die vorherige Regierung hat vieles liegen gelassen", sagt er, und weist den zeternden Oppositionellen Spahn damit in seine Schranken. 

Spahn stänkert: Einigkeit hat Ampel nur beim Cannabis

Im Verlauf der Sendung wird immer unklarer, ob es nun um die Analyse der NRW-Wahlergebnisse oder den späten Rachefeldzug der CDU geht. Spahn jedenfalls setzt zu einem letzten Angriff an: Die Ampel sei sich in übermäßig vielen Punkten nicht einig und vergeude die Zeit der Wählenden mit Erklärungen statt Taten. "Das Einzige, wo man sich schnell einig war, war die Cannabis-Legalisierung", stänkert er. 

Da schüttelt der Rest nur müde den Kopf. "Dass man sich nicht immer komplett einig ist, ist klar", sagt Lang. "Sonst wären wir nicht unterschiedlichen Parteien beigetreten." Die beiden Entlastungspakete mit der Energiepreispauschale, dem 9-Euro-Ticket und dem Kinderbonus hätten die Handlungsfähigkeit der Ampel bewiesen. 

Doch ist diese pragmatische Erklärung genug für die real existierenden Versäumnisse der jungen Koalition? Immerhin hatten Sozialverbände kritisiert, dass Rentner und Rentnerinnen bei den beiden Paketen vergessen worden waren. Zudem ersetzen die kurzfristigen Maßnahmen weder den langfristigen Wandel in punkto Klimaneutralität und sozialer Gerechtigkeit noch deren Finanzierung. Themen, mit denen die Ampel-Parteien im Wahlkampf geworben hatten. 

Ob und wie deren Umsetzung an den Ergebnissen der NRW-Wahl beteiligt ist, lässt sich bis zum Ende der Sendung nicht beantworten – und vermutlich auch danach nicht. Eine Zusammenfassung von Grünen-Politikerin Lang spiegelt die aktuelle Gesamtsituation dagegen treffend wieder: "Wir erleben andere Herausforderungen, als wir es uns alle in den Koalitionsverhandlungen hätten vorstellen können." Zumindest für ihre Koalitionspartner von FDP und SPD dürfte nach diesem Wahlergebnis eine weitere dazugekommen sein.

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