In der Debatte um eine Arbeitspflicht für Asylbewerber kritisiert der Regionspräsident von Hannover, Steffen Krach, den Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, scharf. "Indem Herr Sager so tut, als wollten Asylbewerber nicht arbeiten, befeuert er den Populismus", sagte der SPD-Politiker dem stern. "Viele wollen arbeiten, dürfen aber nicht."
Als größtes Mitglied im Landkreistag sehe er sich durch solche Aussagen des Präsidenten nicht vertreten. "Herr Sager führt die Debatte nicht mit der nötigen Verantwortung. Das nutzt am Ende nur der AfD", sagte Krach. Mit rund 1,16 Millionen Einwohnern ist die Region Hannover der bevölkerungsreichste Landkreis Deutschlands.
Der Präsident des Landkreistages hatte eine Arbeitspflicht für Geflüchtete gefordert: "Die finanzielle Unterstützung vom Staat darf nicht bedingungslos sein", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Wer sich über einen längeren Zeitraum in Deutschland aufhält, muss einer Arbeit nachgehen. Das erwartet die Gesellschaft, und das wollen auch viele Flüchtlinge selbst so."
Arbeitspflicht: Im Saale-Orla-Kreis wird es gemacht
Auslöser der Diskussion ist das Vorgehen des neuen CDU-Landrats im thüringischen Saale-Orla-Kreis: Christian Herrgott nutzt eine Regelung des Asylbewerberleistungsgesetzes, wonach Geflüchteten "Arbeitsgelegenheiten" in Gemeinschaftsunterkünften "zur Verfügung gestellt" werden können – für eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde. Vier Stunden pro Tag reinigen sie etwa den Innen- und Außenbereich der Unterkunft, kümmern sich um den Garten oder den Winterdienst, sagte Herrgott dem "Tagesspiegel". Weigern sie sich, sollen Sozialleistungen gekürzt werden: "Im härtesten Fall werden 180 Euro vom Leistungssatz abgezogen. Der liegt bei rund 500 Euro – das ist also eine spürbare Sanktion."
Während etwa CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Herrgotts Vorgehen begrüßte, lehnen es Grüne und Linke ab. "Menschen den Zugang zu regulärer Arbeit zu erschweren und sie gleichzeitig planwirtschaftlich in Hilfsjobs zu parken schadet allen, Unternehmen, geflüchteten Menschen und der Gesellschaft insgesamt", sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch dem "RND". Linken-Vorsitzende Janine Wissler kritisierte die Maßnahme auf "X" (vormals "Twitter") als "menschenunwürdig für die Betroffenen".
Aus Sicht des Landkreispräsidenten Sager sollten Asylbewerber künftig nicht nur – wie im Saale-Orla-Kreis – gemeinnützig arbeiten, sondern auch Tätigkeiten in privaten Unternehmen übernehmen dürfen. "In der Gastronomie beispielsweise werden händeringend fleißig Helfer gesucht." Er forderte die Bundesregierung auf, das Asylbewerberleistungsgesetz entsprechend zu ändern.
Minister Heil: Im Einzelfall mag das sinnvoll sein
Dass das möglich sein muss, sieht SPD-Mann Krach aus Hannover auch so – denn dabei gehe es darum, eine richtige Jobperspektive für die Menschen zu schaffen. "Wir müssen schneller schauen, wer wie wo arbeiten kann und dann alles dafür tun, dass das möglich wird", sagte Krach. "Teilweise sind die Geflüchteten hochqualifiziert und könnten in den Arbeitsmarkt integriert werden – nur gibt es bisher zu viele rechtliche Hürden."
Gesetzlich ist bislang festgelegt, dass Geflüchtete in den ersten drei Monaten nach ihrer Ankunft nicht arbeiten dürfen. Für diejenigen, die in einer Aufnahmeeinrichtung leben und ein minderjähriges Kind haben, gilt das für sechs Monate, ohne Kind sogar für neun Monate. Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, wie etwa Albanien, Ghana und dem Senegal, dürfen generell keiner Beschäftigung nachgehen.

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Die Regierung aus SPD, Grünen und FDP will Asylbewerbern künftig schneller Zugang zum Arbeitsmarkt verschaffen. Die nun diskutierte Arbeitspflicht für Asylbewerber hält Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) allerdings für nicht nachhaltig.
"Dass die Kommunen Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten können, ist geltendes Recht. Im Einzelfall mag es auch sinnvoll sein, Menschen während der mitunter langen Wartezeit in Sammelunterkünften zu beschäftigten", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung. Eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration werde so allerdings nicht gelingen. Sein Ziel sei, so Heil, anerkannte Geflüchtete "dauerhaft in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen".