Berlin vertraulich! Immer die Probleme mit dem Personal

  • von Hans Peter Schütz
Wenn sich die Umfragewerte von Georg Milbradt nicht bald bessern, dürfte er die längste Zeit sächsischer Ministerpräsident gewesen sein. Kanzlerin Merkel soll jedenfalls schon an einen Nachfolger denken. Und auch sonst sorgten einige Personalien für Wirbel.

Hätte man's gedacht, dass Angela Merkel Blondinen-Witze reißt? Sie hat es getan - und dies auch noch vor einem so ernsthaften, weithin männlichen Publikum wie der Helmholtz-Gesellschaft, dem größten Arbeitgeber für Forscher in Deutschland. Die Helmholtz-Gesellschaft wirbt mit dem Slogan "Helle Köpfe für die Forschung" für sich. Die Kanzlerin, bekanntlich Physikerin, spießte den Spruch auf und sagte: "Damit meinen Sie ja wahrscheinlich nicht Blondinen, sondern Leute, die wirklich was im Kopf haben." Tosender Beifall.

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Hans Peter Schütz

Worüber redet das politische Berlin, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? stern-Autor Hans Peter Schütz hört hin und notiert wöchentlich den neuesten Tratsch aus der Hauptstadt - exklusiv auf stern.de lesen Sie seine Kolumne "Berlin vertraulich!"

Viele wundern sich, weshalb die SPD Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nicht schärfer angreift, wenn er mal wieder im Anti-Terrorismus-Kampf über den Kopf des Koalitionspartners hinweg neue Vorschläge in die Welt setzt. Noch erstaunlicher: Dass sich dann alsbald immer ein SPD-Politiker findet, der den jeweiligen Vorstoß des badischen Christdemokraten gar nicht so verdammenswert findet. Des Rätsels Lösung: Schäuble ist ein Erpresser. Und das geht so: Wann immer ihm die SPD allzu nahe rückt, warnt er sie listig. Wenn er sein Amt abgegeben müsse, weil er dem Koalitionsfrieden allzu abträglich sei, käme gewiss sein Amtsvorgänger Otto Schily zurück. Eine Schreckenvision für die Genossen. "Den will keiner von uns zurück," beruhigen sie dann Schäuble schnell.

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Hat Horst Seehofer begriffen, dass er keine Chance mehr hat, doch noch die Wahl ums Amt des CSU-Vorsitzenden gegen Erwin Huber zu gewinnen? Wie es aussieht, ja. Denn der Berliner Bauernminister redet neuerdings davon, dass leicht möglich sei, dass Huber die bevorstehende bayerische Kommunalwahl versiebt und danach der Ruf nach ihm doch noch ertöne. Spätestens dann nämlich brauche man einen in der CSU, der es schaffe die Marktplätze zu füllen, lästert Seehofer derzeit in kleiner Runde. Dazu passt, was ein Mitglied der CSU-Landesgruppe in Berlin zu Seehofer einfällt: "Je länger einer den Horst kennt, desto weniger ist er geneigt, ihm seine Stimme zu geben."

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Noch einmal davon gekommen ist der sächsische CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende. Allerdings wurde er böse gedeckelt. Die 73,8 Prozent, mit denen er als CDU-Chef wieder gewählt wurde, sind nun wirklich kein Vertrauensvotum. Noch einmal drei Prozent weniger als bei der letzten Wahl, das muss ein amtierender Ministerpräsident erst mal bringen. Dass er mit seiner Wiederwahl aus der Gefahrenzone sei, darf Milbradt indes nicht glauben. Die nächste Wahl in Sachsen findet unmittelbar vor der Bundestagswahl 2009 statt - ein Termin, der in Berlin vor allem Angela Merkel alarmiert. So kurz vor dem eigenen Gang vor die Wähler will sie sich kein Debakel in Sachsen einhandeln, wo zu Kurt Biedenkopfs Zeiten die absolute Mehrheit der Fall war. So ist in Berlin zu hören: Wenn sich die Umfragen der sächsischen CDU und ihres Ministerpräsidenten nicht bessern, könnte Merkel ganz schnell ihren Duzfreund Thomas de Maiziére, derzeit Kanzleramtsminister, in Marsch setzen, um Milbradt zu ersetzen. Schon jetzt flüstert die Kulisse, Milbradt sei ohnehin der "beste zweite Mann."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Selbst ins Gespräch gebracht als künftige CSU-Generalsekretärin hat sich unlängst die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär. Ein Fehler, wie er einer studierten Diplom-Politologin eigentlich nicht passieren dürfte. In solche Ämter wird man gerufen. Noch naiver: Dass sie glaubte, die CSU würde mit dem kommenden Ministerpräsidenten Günther Beckstein, dem CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Joachim Herrmann, und mit Frau Bär gleich drei fränkische Spitzenpolitiker in der CSU-Führung akzeptieren. Wer Nachfolger von Markus Söder wird, der muss aus Oberbayern kommen. Für den Job kommen nach CSU-Insidern nur zwei Politiker in Frage: Entweder Ilse Aigner aus dem Wahlkreis Starnberg, die allerdings gar nicht so erpicht sein soll auf den Job, oder Georg Fahrenschon aus dem Wahlkreis München-Land, führender Finanzpolitiker der CSU im Bundestag.

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Für erregte innerparteiliche Aufregung sorgte vergangene Woche der FDP-Europapolitiker Jorgo Chatzimarkakis. In einem Strategiepapier im stern und einem Interview mit stern.de plädierte er auf mittlere Sicht für eine Fusion von Liberalen und Grünen. Diese "Vision" ärgerte die FDP-Führung, gerade mal wieder auf Schmeichelkurs in Richtung CDU unterwegs, gewaltig. Die FDP-Zentrale erließ - ganz, ganz liberal - die Anordnung, die Sache dürfe nicht weiter von FDP-Politikern kommentiert werden. Parteichef Guido Westerwelle ließ außerdem seinen Generalsekretär Dirk Niebel auf Chatzimarkakis los. Am Telefon brüllte der den Parteifreund zusammen, drohte ihm verbale Prügel auf der nächsten Sitzung des FDP-Bundesvorstands an und knallte schließlich den Hörer grußlos auf. Beeindruckt hat Niebel den Visionär damit nicht. In seinem privaten Leben in Brüssel gibt er bereits ein Beispiel der Kohabitation von Grün und Blau: Chatzimarkakis bewohnt eine WG mit dem grünen Europaparlamentarier Cem Özdemir. Chatzmarkakis: "Ich bin griechischer, Cem ist türkischer Abstammung. Da ist es doch toll, dass wir uns vertragen."