Volker Kauder betreibt gerne alemannischen Sprachunterricht für die Berliner Journalisten. Wenn er zum Beispiel über den Freiburger Stadtteil "Vauban" spricht, benannt nach dem französischen Festungsbaumeister Sebastian Vauban, weitgehend von Grün-Wählern bewohnt und daher praktisch autofrei, spottet er gerne, das Viertel wirke auf ihn doch sehr "bünzlihaft." Das löst bei den einigermaßen mit der deutschen, nicht aber mit der mit der schweizerischen oder der alemannischen Sprache vertrauten Schreiberlingen allemal Kopfschütteln aus.
Zur Aufklärung: Das Wörtchen steht für kleinbürgerlich, kleinkariert - vor allem für spiessig. Die "Spiesser" waren in der Schweiz jene Mitbürger mit den langen Spießen, bei denen es extrem wichtig ist, dass die Spieße auch wirklich "gleichlang" sind. Kauder könnte, was er nie tut, für die grünen Spiessbürger in Vauban auch das Wort "Füdlibürger" benutzen. Aus gutem Grund. Füdli steht für das alemannische Wort "Fiedle", womit grobschlächtig die menschliche Sitzfläche gemeint ist. Würde der CDU/CSU-Fraktionschef Füdlibürger zu Vauban-Bewohnern sagen, könnte das als "Arschgeigen" ins Hochdeutsche übersetzt werden - mehr Stimmen für die CDU dürfte eine solche Wortwahl allerdings nicht bringen.
Aber nicht nur in Freiburg sichtet Kauder die "bünzlihaften" Mitbürger. Auch in Berlin seien sie massenhaft vertreten, sagt er. Man müsse sich nur die Vorstellungen der Grünen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg anschauen. Unter anderem, so Kauder, würden sie den Verzicht auf "Luxussanierungen" fordern, selbst die Vollverkachelung von Bädern stehe unter skeptischer Beobachtung. Hintergrund, so wie die "Süddeutsche Zeitung" argwöhnt: Im Kreuzberger Mileu soll alles so bleiben wie es ist. Damit sei doch bewiesen, so Kauder, dass in den grünen Kiezen der Hauptstadt bünzlihafte Mitbürger wohnten und keineswegs nur in Freiburg.
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Wortschöpferisch tätig war man dieser Tage auch bei den Liberalen. Stolz berichteten sie, wie ihr neuer Vorsitzender Philipp Rösler im Kanzleramt die Koalition energiepolitisch auf FDP-Kurs gebracht habe. Mit "seidener Härte" habe er der Kanzlerin abgerungen, dass die Brennelementesteuer bleibt und die so genannte "Kaltreserve" in den Beschluss eingebaut wird. Die CDU ihrerseits kritisierte die "schlechten Manieren" Röslers. Er habe so intensiv mit dem Handy gespielt, während Merkel redete, dass sie gemault habe: "Sie müssen mir keine SMSD schicken. Sie können direkt mit mir reden."
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Eine Richtigstellung verdient FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Ihm ist auf Youtube das Plagiat politischer Argumenten vorgehalten worden, weil er dem SPD-Chef Sigmar Gabriel in einer Rede zugerufen hatte: "Der Mann hat sich nicht unter Kontrolle, deshalb darf er auch keine Kontrolle über diesen Staat haben." Der Spruch stammt aus dem Mund von Altkanzler Helmut Schmidt, der ihn 1980 gegen Franz Josef Strauss ausgestoßen hat. Wer der These widerspricht, Gabriel sei mit Strauss vergleichbar, trifft bei Lindner auf Widerspruch. Er bekräftigt: "Doch - der Gabriel ist ein SPD-Strauss." Aus diesem Grund habe er die berühmte Redewendung auf Gabriel gemünzt. Womit klar ist: Lindner unterlief keine gedankenloses Plagiat, sondern er fuhr eine gezielte politische Attacke. Das ist erlaubt.
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Bilkay Öney, die neue türkischstämmige SPD-Integrationsministerin in Baden-Württemberg, beweist, dass in ihr sehr schwäbische Eigenschaften schlummern. Sie macht gerne gutes Geld. So kassiert sie als Landesministerin in Stuttgart runde 11.000 Euro im Monat, ihr Mandat als SPD-Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus - mit halber Diät in Höhe von 1620 Euro dotiert - behält sie allerdings vorerst noch. Offenbar will Öney ihr politisches Gewicht in der Hauptstadt erhalten: Sie vertritt nämlich in Berlin zwei von Abschiebung bedrohte Frauen, eine Palästinenserin und eine Türkin, gegenüber der Berliner Ausländerbehörde. Verboten ist es nicht, ihr parlamentarisches Mandat in Berlin und das exekutive Ministeramt in Stuttgart miteinander zu vereinbaren. Das könnte sie noch eine gute Weile tun. Ihr schwäbischer Erwerbssinn hat allerdings ein faires Ziel: Sie spendet ihre Berliner Diät an eine Berliner Fraueneinrichtung.
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Eine Art protokollarischen Rückschlag muss Grand-Prix-Siegerin Lena Meyer-Landrut hinnehmen. Bei Anrufen auf dem Handy des Bundespräsidenten Christian Wulff klingelte im ersten Jahr Lenas Song "Satellite". Jetzt hat die Präsidenten-Gattin Bettina durchgesetzt, dass bei Anrufen beim Staatsoberhaupt die Filmmusik vom "Fluch der Karibik" ertönt. Sage keiner, der Präsident stehe nicht mitten im Zeitgeist.