Berlin vertraulich Steinmeiers Sexiness-Test

  • von Hans Peter Schütz
Erinnern Sie sich noch an die SPD? Und an Frank-Walter Steinmeier, vormals Kanzlerkandidat? Am Dienstag, gleich nach der Kanzlerin, hat der neue SPD-Fraktionschef seinen ersten großen Auftritt im Bundestag - und die Genossen machen sich dafür mächtig Mut.

Mit Spannung blickt der Bundestag der Debatte über die Regierungserklärung von Angela Merkel in dieser Woche entgegen. Mit Spannung nicht der Worte der Kanzlerin wegen. Alles wartet mit ausgeprägter Neugier darauf, wie sich der neue SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als Oppositionsführer rednerisch in der Debatte schlägt. Als Abgeordneter hat er ja bislang noch nie im Parlament gesprochen, stets nur als Außenminister ohne Bundestagsmandat. Volker Kauder allerdings, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, sieht der Premiere Steinmeiers gelassen entgegen. Er halte, sagte er zu stern.de, den grünen Spitzenmann Jürgen Trittin für den viel gefährlicheren Angreifer. Die Frage nach dem Warum, beantwortet er mit dem Hinweis, dass der überaus reaktionsschnell sei. Einmal habe Steinmeier einschläfernd als Außenminister geredet, bis aus Trittins Ecke ein Geräusch auch für Kauder hörbar wurde, das nach einem Zwischenruf klang. Daraufhin sagte Steinmeier brav: "Herr Trittin, ich gehe gerne auf ihren Zwischenruf ein." Und Trittin antwortete frech: "Das war kein Zwischenruf, Herr Kollege Steinmeier, das war mein Schnarchen."

Noch ist jedoch keineswegs klar, ob der Oppositionspolitiker Steinmeier sich so lässig ausmanövrieren lässt. Intensiv wird er auf den Auftritt im Bundestag vorbereitet. Seine Mitarbeiter erinnern daran, wie es Steinmeier gelungen ist, auf dem SPD-Wahlparteitag zu glänzender rhetorischer Form aufzulaufen. Und auch das TV-Duell mit Angela Merkel habe er locker gewonnen. "Unter Druck ist er überraschend gut in seinen Auftritten", macht sich die SPD Mut. Mit der Exekutive, zumal dort die FDP sitze, könne er hervorragend streiten. Hinzu komme, dass die Kanzlerin bis heute "noch keine Antwort auf die Frage gegeben habe, unter welchem geistigen Dach die schwarz-gelbe Koalitionsvereinbarung eigentlich stehe. In der SPD-Zentrale ist die Devise, wie Steinmeier auftreten müsste, ganz klar: "Unsere Partei muss wieder sexyer werden."

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Die Frage nach dem schwarz-gelben "geistigen Dach" wird vielleicht auch beantwortet werden, wenn Angela Merkel am 18. und 19. November mit ihrer Minister-Mannschaft unter das Dach ihres barocken Schlosses im Dörfchen Meseberg zieht. Dort herrsche "unbedingte Stille", schwärmte einst Theodor Fontane über das "Märchenschloss" nördlich von Berlin. Schon vor vier Jahren hatte die Kanzlerin sich mit dem schwarz-roten Kabinett ins Schloss zurückgezogen, das jetzt als Gästehaus der Bundesregierung dient, auch wenn sich in zeitweiliger Reichweite eine große Schweinemastfarm niedergelassen hat. Im Kanzleramt glaubt man, die "besondere Atmosphäre" werde über die neue Koalition einen Hauch Arkadien legen, auch wenn die Bundesrepublik derzeit sehr weit entfernt ist von einem Traumland. Kritiker spotten: Die Farm passt zur politischen Verfassung der Republik.

Sehr viel hat die Meseberg-Visite 2005 politisch nicht gebracht. Und außerdem werden dieses Mal die neue FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger und ihr CDU/CSU-Kollege Kauder nicht daran teilnehmen. Zu nachteilig sei es gewesen, erinnert sich Kauder an das damalige Treffen, an dem er teilgenommen hatte. Ziemlich vage hätten ihm und seinem SPD-Kollegen Peter Struck die Minister über ihre Pläne in den nächsten vier Jahren berichtet. Wenn sie dann teilweise Jahre danach den Fraktionsbossen von Union und SPD ohne jede Absprache einen Gesetzentwurf auf den Tisch knallten und die böse überrascht waren, hätten sich die Kabinettskollegen sehr überrascht gezeigt. Man habe das doch schon in Meseberg en detail vorgetragen. Kauder: "So läuft das nicht noch einmal."

Mit Dirk Niebel kommt allerdings ein Minister nach Meseberg, der sich in Berlin schon nach wenigen Tagen einen zweifelhaften Ruf erworben hat: Er mache konsequent als Entwicklungshilfeminister das Gegenteil von dem, was er einst als FDP-Generalsekretär gesagt habe. Ein bekanntes Beispiel: Vor der Wahl hat er die Auflösung des Entwicklungshilfeministeriums scharf gefordert, nach der Wahl zog er dort flugs und stolz als Minister ein. Zur Koalitionsklausur nach Meseberg kommt er natürlich auch. Als dies die schwarz-roten Minister einst taten, spottete Niebel über die Reise nach Meseberg als "Minister-Landverschickung" und außerdem sei sie "unnütze Geldverschwendung". Woraus man lernen kann, was Niebels (und die vieler Politiker) Regierungs-Devise ist: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.

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Seit längerem kursiert in Berlin die Kunde, Merkel vermisse im täglichen politischen Geschäft, etwa im Umgang mit der Opel-Krise, ganz besonders Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Bis heute sei die Kanzlerin ihm für die geleistete Arbeit während der Großen Koalition dankbar, sagt ein CDU-Politiker, der der Kanzlerin überaus nahe steht. Und es sei durchaus denkbar, dass sie bei passender Gelegenheit dem SPD-Mann Steinbrück zum Dank zu einem schönen Posten verhelfen werde. Gedacht wird dabei im Kanzleramt an den Job des Geschäftsführenden Direktors beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Dort saß bis 2004 einst ein Horst Köhler, und der wurde von Merkel zum Bundespräsidenten gemacht. Schöne Aussichten für Steinbrück.