Wahl in Berlin Große Koalition stürzt ab - Alles deutet auf linkes Bündnis in der Hauptstadt

Die Hauptstadt kann nur noch von einem Bündnis aus drei Parteien regiert werden. Rot-Schwarz ist am Ende, das schlechte Abschneiden beider Parteien alarmiert viele. Die wieder erfolgreiche AfD sieht sich bereits auf dem Weg in den Bundestag.

Bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin haben die bisherigen Regierungspartner SPD und CDU historisch schlecht abgeschnitten und können ihre Koalition nicht fortsetzen. Beide früheren Volksparteien kamen auf ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis und verloren zusammen knapp zwölf Prozentpunkte. Die SPD kann aber weiter regieren. Dafür muss sie sich zwei Partner suchen - Zweierbündnisse haben in der Hauptstadt keine Mehrheit mehr.

Linke und Grüne lagen nach den Hochrechnungen zuletzt fast gleichauf: Die Linken legten kräftig zu, die Grünen blieben unter ihrem Rekordergebnis von 2011. Beide Parteien stehen für ein Bündnis mit der SPD bereit. Ein Jahr vor der Bundestagswahl setzte die AfD ihren Höhenflug fort und kam auf ein zweistelliges Ergebnis. Die FDP kehrt nach dem Aus 2011 ins Parlament zurück. Erwartungsgemäß flogen die Piraten raus.

Niederlagenserie für Merkel-Partei

Für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel, deren Flüchtlingspolitik auch in der Union selbst umstritten ist, markiert der Sonntag die Fortsetzung einer Negativ-Serie: Bei allen Landtagswahlen in diesem Jahr verlor die Partei Stimmen. Landeschef und Spitzenkandidat Frank Henkel will dennoch keine persönlichen Konsequenzen aus dem historisch schlechten Abschneiden seiner Partei ziehen. "Ich trete nicht zurück", erklärte der Innensenator am Sonntagabend. An dem Ergebnis habe jeder seinen Anteil. Zudem habe es ihm nicht an Rückhalt aus der Partei gemangelt. Die Bundespolitik sei "kein Rückenwind" für die Berliner CDU gewesen, gab CDU-Generalsekretär Peter Tauber im ZDF zu. Er beklagte dabei auch den Streit zwischen CDU und CSU. "Manche Wortmeldung aus München" sei "nicht immer hilfreich" gewesen. An der Zugkraft von Kanzlerin Merkel wollte er aber nicht zweifeln.

 

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"Jetzt kommt die rot-rot-grüne Koalition des Schreckens"

AfD nun in 10 von 16 Landesparlamenten

Die SPD, die im Bund mit CDU/CSU regiert, sackte in Berlin allerdings noch stärker ab als die Union.
Noch nie in Deutschland hatte ein Sieger bei Landtagswahlen ein so mageres Ergebnis. "Wir haben unser Ziel erreicht: Wir sind stärkste politische Kraft in dieser Stadt geblieben und wir haben einen Regierungsauftrag", freute sich Michael Müller dennoch.

Die rechtspopulistische AfD ist nun in 10 von 16 Landesparlamenten vertreten. Eine Tendenz, die die "Alternative" nach Aussage von Jörg Meuthen, Co-Vorsitzender der Bundes-AfD, auch für den Bund gilt. "Wir sind felsenfest überzeugt, dass wir nächstes Jahr mit einem zweistelligen Ergebnis im Bundestag landen werden", sagte Meuthen. Ganz ähnliche äußerte sich auch die stellvertretende AfD-Parteivorsitzende Beatrix von Storch. Sie sagte, ihre Partei sei in der Hauptstadt angekommen und auch auf direktem Weg in den Bundestag.

Laut vorläufigem amtlichem Endergebnis erreichte die SPD 21,6 Prozent - das schlechteste Ergebnis eines Siegers bei Landtagswahlen. Die CDU kam auf 17,9 Prozent. Die Linken erreichten 15,6 Prozent, die Grünen 15,2 Prozent. Die AfD verbucht 14,2 Prozent. Die FDP, die fünf Jahre nicht im Abgeordnetenhaus vertreten war, kam auf 6,7 Prozent und schaffte den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Piraten stürzten ab.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Sitzverteilung sieht nach den letzten Hochrechnungen so aus: SPD 35 Sitze, CDU 29, Linke 26, Grüne 25, AfD 23, FDP 11 Sitze. Die Wahlbeteiligung war mit 66,9 Prozent deutlich höher als 2011 (60,2 Prozent).

Müller will wohl nicht mehr mit der CDU

Müller, dessen Partei seit 15 Jahren den Regierungschef im Roten Rathaus stellt, kündigte am Abend Sondierungsgespräche mit allen Parteien außer der AfD an. Er ließ am Abend aber offen, welche Koalition er bevorzugt - betonte allerdings Gemeinsamkeiten mit den Grünen. Vor der Wahl hatte er ein Bündnis mit Grünen und Linken in den Blick genommen. SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte: "Berlin bleibt sozial und menschlich anständig." CDU-Spitzenkandidat Henkel sagte, seine Partei stehe für Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung bereit. Müller hatte vor der Wahl allerdings wenig Bereitschaft gezeigt, mit den Christdemokraten weiterzumachen.

Grünen-Chef Cem Özdemir sieht einen Regierungsauftrag für seine Partei. "Die Leute wollen eine seriöse Regierung, wir können das." Die Grünen könnten erstmals seit 2002 wieder in die Regierung kommen. Linken-Vorsitzende Katja Kipping wertete das Abschneiden ihrer Partei als großartiges Signal. "Das macht Mut für linke Mehrheiten." In Berlin hatte die Partei bereits von 2002 bis 2011 als Juniorpartner mit der SPD zusammen regiert. Für FDP-Generalsekretärin Nicola Beer hat eine Regierungsbeteiligung der Liberalen in Berlin im Moment keine Priorität.

Müller kein Wowereit, aber der beliebteste Kandidat

Die Berliner SPD verdankt ihren Wahlsieg nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen dem Regierungschef Müller und der Schwäche der CDU. Müller erreiche nach knapp zwei Jahren im Amt zwar nicht ganz die Beliebtheitswerte seines Vorgängers Klaus Wowereit, besitze aber die höchste Reputation aller Kandidaten. Weitere Faktoren für den Vorsprung der SPD seien deren lokales Parteiansehen, Kompetenzen gerade in sozialen Bereichen und eine indisponierte Berlin-CDU, die neben personellen und qualitativen Defiziten ein Imageproblem habe.

Bis zur Bundestagswahl im September 2017 gibt es mit den Wahlen im Saarland (26. März), in Schleswig-Holstein (7. Mai) und in Nordrhein-Westfalen (14. Mai) nun noch drei weitere politische Stimmungstests. Vor allem die sogenannte "kleine Bundestagswahl" im bevölkerungsreichsten Bundesland an Rhein und Ruhr dürfte ein echte Fingerzeig auf künftige Mehrheit im Bundestag sein.

dho/DPA