Nach dem umstrittenen Kölner Beschneidungsurteil hat ein breites Bündnis vom muslimischen Verbänden in Deutschland vor negativen Folgen für die Integration gewarnt und gesetzliche Klarstellungen gefordert. Die von den Kölner Richtern festgestellte Strafbarkeit von Beschneidungen aus religiösen Gründen sei ein "Rückschlag für die Religionsfreiheit", erklärten rund 20 muslimische Organisationen am Mittwoch in Köln. Der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime (KRM), Ali Kizilkaya, warnte vor einem "großen Schaden für die Integration".
Das Urteil des Kölner Landgerichts vom vergangenen Mai habe "alle Muslime schockiert", heißt es in der Erklärung der muslimischen Verbände, die unter anderem von der Türkisch-Islamischen Union DITIB, dem Islamrat und dem Zentralrat der Muslime unterzeichnet wurde. "Das Urteil verachtet die Religionsfreiheit und nimmt keinerlei Rücksicht auf die seit Jahrtausenden weltweit durchgeführte rituelle Praxis in unterschiedlichen Religionen."
"Massiver Eingriff in die Religionsfreiheit"
Das Kölner Landgericht hatte in seiner Entscheidung die Auffassung vertreten, eine Beschneidung aus religiösen Gründen erfülle den Tatbestand der Körperverletzung. Sie sei auch nicht durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt, da sie nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Dessen Körper werde durch die in Islam und Judentum verbreitete Beschneidung "dauerhaft und irreparabel verändert". Das rechtskräftige Kölner Urteil ist allerdings nicht für andere Gerichte verbindlich.
In ihrer Erklärung forderten die muslimischen Organisationen den Bundestag auf, nach dem Urteil "schnellstmöglich zu handeln, diese Rechtsunsicherheit zu beheben und eine gesetzlich geschützte Regelung für die Beschneidung von Jungen zu erlassen". Kizilkaya kritisierte, die Rechtsauffassung der Richter führe zu einem "massiven Eingriff in die Religionsfreiheit", von dem "sowohl fromme Muslime als auch säkulare Muslime" betroffen seien. Muslimische Eltern befänden sich nun in einem tiefen Gewissenskonflikt. "Auch die Ärzte sind verunsichert."
Dagegen nahm die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) das Kölner Urteil "begrüßend zur Kenntnis". "Mit der prinzipiellen Feststellung der Rechtswidrigkeit medizinisch nicht indizierter Beschneidungen bei nicht einwilligungsfähigen Knaben bestätigt das Gericht die von der DGKCH vertretene und viel diskutierte Meinung", erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kinderurologie der DGKCH, Maximilian Stehr, in Stuttgart. Die Entscheidung des Kölner Gerichts gebe Rechtssicherheit und unterstreiche das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit.