Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach Informationen des stern eine für Donnerstag geplante Reise in die Ukraine kurzfristig aus Sicherheitsgründen abgesagt. Grund war eine Empfehlung der relevanten Sicherheitsbehörden. Dazu zählen der Bundesnachrichtendienst, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt, das für den Personenschutz zuständig ist. Steinmeier wollte am Mittwoch mit dem Zug starten und am Donnerstag in Kiew eintreffen. Die Vorbereitungen liefen wie immer bei diesen Reisen unter bestmöglicher Geheimhaltung. Steinmeier entschied dann am Dienstagabend aufgrund letzter Einschätzungen der Sicherheitsbehörden, die Reise abzusagen. Sie soll zeitnah nachgeholt werden. Steinmeier und Selenskyj haben dazu für diesen Donnerstag ein Telefonat vereinbart, wie Steinmeiers Sprecherin Cerstin Gammelin am Abend mitteilte.
Steinmeier war im April von Ukraine ausgeladen worden
Es wäre Steinmeiers erster Besuch in der Ukraine gewesen, nachdem er vor einer ursprünglich im April geplanten Reise von der ukrainischen Seite ausgeladen worden war. Hintergrund für den diplomatischen Affront war offensichtlich Steinmeiers Russland-Politik in seiner Zeit als Bundesaußenminister in der großen Koalition. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte unter anderem das Minsker Abkommen kritisiert, das unter deutsch-französischer Vermittlung zustande gekommen war und die militärischen Auseinandersetzungen in der Ost-Ukraine beenden sollte.
Die Ausladung Steinmeiers hatte das ukrainisch-deutsche Verhältnis stark belastet. Bundeskanzler Olaf Scholz verzichtete deswegen lange Zeit auf eine Reise nach Kiew. Anfang Mai sagte er mit Blick auf die Ausladung des Staatsoberhaupts, dies sei "ein bemerkenswerter Vorgang" gewesen. "Das steht der Sache im Weg", so der Kanzler.
Nationalisten, Hardliner, Kremlflüsterer: Sie sind Putins Kriegstreiber

Kanzler Scholz letztlich vor Steinmeier in Kiew
Wenige Tage später telefonierten dann Selenskyj und Steinmeier, um die Differenzen auszuräumen. In dem etwa 45minütigen Gespräch lud Selenskyj das deutsche Staatsoberhaupt in die Ukraine ein. Am 16. Juni, fast vier Monate nach dem russischen Überfall, reiste dann allerdings zunächst Scholz gemeinsam mit den Präsidenten Frankreichs und Rumäniens, Emmanuel Macron und Klaus Johannis, sowie dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi nach Kiew. Dabei versprachen sie, sich dafür einzusetzen, dass die Ukraine den Kandidatenstatus für die Aufnahme in die Europäische Union erhalten solle, was kurz darauf von einem EU-Gipfel beschlossen wurde.
Im August bestätigte die deutsche Botschaft in Kiew Vorbereitungen für eine Reise Steinmeiers, nannte aber noch keinen Termin. Vor dem Krieg war Steinmeier das letzte Mal am 6. Oktober in der Ukraine gewesen. Dabei nahm er gemeinsam mit Selenskyj an den Gedenkfeierlichkeiten aus Anlass des 80. Jahrestages der Massenmorde von Babyn Jar teil. 1941 hatten deutsche Einsatzgruppen binnen weniger Tage in einer Schlucht auf dem Stadtgebiet Kiews mehr als 33.000 Juden ermordet.