Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, hat einen gravierenden Ärztemangel bei der Bundeswehr beklagt. Allein im vergangenen Jahr hätten fast 100 Sanitätsoffiziere gekündigt, sagte Robbe bei der Vorstellung seines Jahresberichts in Berlin. Er verlangte, Leistungsanreize für die Ärzte zu erhöhen, die Vereinbarkeit von Dienst und Familie zu verbessern und mehr Stellen zu schaffen. Die Belastung der Mitarbeiter wegen der Personalengpässe in den Bundeswehrkrankenhäusern nannte Robbe "besorgniserregend".
Die Folgen des Ärztemangels wiegen schwer: Manche Abteilungen hätten ihre Ambulanz-, Spät- und Nachtdienste einschränken müssen. Die Kliniken mussten Robbe zufolge teilweise sogar Operationssäle schließen und geplante Eingriffe verschieben oder absagen. "Möglicherweise droht in diesem Zusammenhang ein Expertise- und Imageverlust", warnte der Wehrbeauftragte und verwies auf die mangelnde Motivation der Ärzte. Grund für die "Ärzteflucht" seien die ständigen Abwesenheiten durch Auslandseinsätze und die gestiegene Bezahlung im zivilen Gesundheitswesen. Für die Einsätze im Ausland werden Sanitäter aus dem Inland abgezogen, wodurch sich der Personalmangel dort erhöht. Der allgemeine Ärztemangel werde die Lage bei der Bundeswehr noch verschlimmern.
Der Bundeswehrverband schloss sich Robbes Kritik an. Sein Vorsitzender, Ulrich Kirsch, sagte im Südwestrundfunk (SWR), die Streitkräfte hätten inzwischen 400 Ärzte zu wenig. Die Attraktivität des Sanitätsdienstes sei offensichtlich auch mit monatlichen Zulagen von 600 Euro nicht zu erhöhen. Die Truppe werde junge Menschen dauerhaft nur anziehen, wenn sie deren Lebensmodelle "wie ein modernes Unternehmen" unterstütze.
Robbe kritisierte darüber hinaus auch die überbordende Bürokratie und die schwerwiegenden Mängel bei Ausrüstung und Unterkunft. Wenn ein Soldat bei kaputten Stiefeln sechs Wochen auf Ersatz warten müsse, sei das nicht vereinbar mit dem Anspruch einer modernen Armee, so Robbe. Die Probleme seien auch auf die bestehende Trennung von Truppe und Wehrverwaltung zurückzuführen. So hätten ihm Soldaten berichtet, dass gegen Vorschriften verstoßen werden müsse, "um den Laden am Laufen" zu halten.
Mit einer modernen Armee im Einsatz sei auch nur schwer zu vereinbaren, dass am Luftwaffenstützpunkt in Köln-Wahn von rund 200 Gebäuden die Hälfte mehr als 50 Jahre und ein Viertel mehr als 70 Jahre alt ist. Auch wenn einem Kommandeur die Knöpfe von der dienstlich gelieferten Uniform abfielen und die Nähte sich auflösten, sei dies kein Anzeichen einer modernen Armee.
Mit Blick auf die Arbeitsbedingungen hätten Soldaten die Bürokratie beklagt: "Wir kontingentieren und regulieren uns noch zu Tode", habe ihm ein hoher Offizier berichtet. Die Bundeswehrangehörigen litten teilweise auch unter der fehlenden Akzeptanz der Gesellschaft.