Chemnitz kommt nicht zur Ruhe. Nach der tödlichen Messerattacke auf einen 35-Jährigen müssen sich die Behörden für weitere Versammlungen in der sächsischen Großstadt wappnen.
Zunächst ist für den Donnerstag eine Demonstration des rechten Bündnisses "Pro Chemnitz" geplant. Anlass ist das schon lange geplante "Sachsengespräch" von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), in dem der Regierungschef mit Bürgern ins Gespräch kommen will. Im Aufruf von "Pro Chemnitz" heißt es: "Auch die Regierung soll von den Chemnitzern direkt hören, dass es so nicht weitergehen kann. 20.000 Ausländer in Chemnitz sind zu viel!" 20.000 Ausländer sind etwa acht Prozent Anteil an der Bevölkerung. Zum Vergleich: Bundesweit liegt dieser Anteil bei knapp elf Prozent. Die Veranstalter haben für ihre Kundgebung am Fußballstadion 1000 Teilnehmer angemeldet. Nach den Erfahrungen der beiden Krawallnächte von Chemnitz könnte die tatsächliche Teilnehmerzahl wieder deutlich höher liegen.
Zur Verhinderung möglicher Ausschreitungen wird die Polizeipräsenz massiv verstärkt. Die sächsischen Beamten werden unter anderem aus Bayern, Berlin, Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen unterstützt, wie die Polizeidirektion Chemnitz mitteilte.
Zusammenschluss von AfD und Pegida in Chemnitz
Spätestens der Samstag wird für die Sicherheitsbehörden eine Herausforderung. Neben Friedensgruppen ruft auch "Pro Chemnitz" erneut auf. Von 16 Uhr an sollen 1000 angemeldete Teilnehmer durch die Innenstadt ziehen.
Anschließend, um 17 Uhr, treten vier Akteure erstmals gemeinsam auf den Plan. Anmelder der Demonstration ist zwar die AfD Sachsen, in den Aufrufen werden aber auch die Landesverbände der Partei in Thüringen und in Brandenburg aufgeführt. Die AfD sucht für die Versammlung offiziell den Schulterschluss mit der fremden- und islamfeindlichen Pegida-Bewegung, deren Logo ebenfalls auf dem Aufruf prangt.
Der Tenor der Demonstration, die ebenfalls durchs Stadtzentrum führen soll: "Wir vergessen nicht. Schweigemarsch durch Chemnitz." Man wolle unter anderem des am frühen Sonntagmorgen erstochenen Daniel gedenken, heißt es in dem unter anderem von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke unterzeichneten Aufruf: "Gedeckte Kleidung", "keine politischen Botschaften", "lediglich schwarz-rot-goldene Fahnen und die weiße Rose als Zeichen der Trauer" wünschen sich die Initiatoren von den Teilnehmern und fordern ausdrücklich zu diszipliniertem Verhalten auf. "Extremisten und Gewalttäter wollen wir nicht in unseren Reihen."
Trotz der beschwichtigenden Worte: Darauf, dass tatsächlich nur die angekündigten 500 bis 1000 Teilnehmer kommen und diese auch tatsächlich friedlich bleiben, können und wollen sich die Sicherheitsbehörden nach den Ereignissen von Sonntag und Montag nicht verlassen. Auch im Fall des Schweigemarsches von Pegida und AfD läuft bereits eine bundesweite Mobilisierung.
Zweimal unterschätzte die Polizei zuletzt in Chemnitz offenkundig Anzahl und Gewaltbereitschaft der Teilnehmer – trotz einer angeblichen Warnung des Verfassungsschutzes, über die der Berliner "Tagesspiegel" berichtete. Das soll nicht noch einmal passieren, versprach Sachsens Innenminister Roland Wöller schon am Dienstag: "Die Ereignisse sind Anlass, die Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen. Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen die polizeilichen Maßnahmen in Chemnitz erheblich auszuweiten", kündigte der CDU-Politiker an.
Ist die Polizei vorbereitet?
Wie genau die Sicherheit von Teilnehmern, Bevölkerung und Berichterstattern während der Demonstrationen in den nächsten Tagen gewährleistet werden sollen, verrät die Polizei derzeit nicht. Auf stern-Anfrage sagte eine Sprecherin der Chemnitzer Polizei lediglich wenig überraschend: "Wir bereiten uns auf einen Einsatz vor." Dabei zählen die sächsischen Behörden auch auf Unterstützung der Bundespolizei. Der Freistaat hat entsprechende Hilfe des Bundes angefordert, so eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Ob bei den Versammlungen auch Polizeieinheiten aus anderen Bundesländern eingesetzt werden, ist derzeit nicht bekannt.
Zur Aufklärung der Ausschreitungen der vergangenen Tage und der tödlichen Messerattacke vom Sonntag soll indes eine besondere Ermittlungsgruppe des Landeskriminalamtes Sachsen und der Polizeidirektion Chemnitz beitragen. Ziel sei es, alle Straftäter zu überführen, teilte eine Sprecherin mit.
Die Polizei bittet die Bevölkerung dabei um Mithilfe und hat hier ein Uploadportal eingerichtet, auf dem Video- oder Fotodateien hochgeladen werden können. Zudem ist ein Hinweistelefon unter der kostenlosen Rufnummer (0800) 8552055 eingerichtet.
