Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in den Dauerstreit über die geplante Kopfpauschale eingeschaltet und die Schwesterpartei CSU zur Räson gerufen. "Es ist vollkommen klar, dass der Koalitionsvertrag die Grundlage unserer Arbeit ist", sagte die CDU-Chefin am Sonntag in der ARD. Daran seien alle Parteien in der Koalition gebunden. Zuvor hatte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer die Pauschale kategorisch abgelehnt und sein Veto dagegen angekündigt, obwohl sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist.
Schwarz-Gelb plant laut Koalitionsvertrag, in der gesetzlichen Krankenversicherung künftig "einkommensunabhängige Arbeitnehmerbeiträge" einzuführen, die sozial ausgeglichen werden sollen. Der Sozialausgleich soll über Steuern finanziert werden.
"Eine Umstellung der bestehenden, am Lohn orientierten und sozial gerechten Arbeitnehmerbeiträge auf eine Pauschale wird es mit mir nicht geben", erklärte CSU-Chef Seehofer der "Rheinischen Post". Auch der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder lehnte die Pauschale ab. Nach seiner Ansicht erschwert "die fast schon manische Fixierung der FDP auf diesen kleinen Bereich des Gesundheitswesens" das gemeinsame Regieren in Berlin.
In der "Bild am Sonntag" erklärte Söder zudem, er halte die Kommission zur Vorbereitung der Gesundheitsreform für überflüssig, da zur Finanzierung der Kopfpauschale ein Spitzensteuersatz von 73 Prozent notwendig sei. "Damit ist klar, dass die FDP als Steuersenkungspartei ihr Vorhaben zu den Akten legen muss", wird Söder zitiert.
Merkel kritisierte in der ARD insbesondere Söder, der in der "Bild am Sonntag" sagte, "ein Koalitionsvertrag ist nicht mit den Zehn Geboten zu vergleichen". Merkel sagt dazu: "Das ist auch wieder so eine Trivialbemerkung." Die Zehn Gebote sollte man für politische Vorhaben nicht ins Spiel bringen.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte an die Adresse der Schwesterpartei, "Vorfestlegungen und krachende Begleitmusik" seien bei den geplanten Vorhaben unnötig. "Wir sollten mit Ruhe und Sachlichkeit unsere Aufgaben abarbeiten", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Es sei richtig, die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten stärker abzukoppeln. Auch der Unionsfraktionschef im Bundestag, Volker Kauder, erklärte im "Hamburger Abendblatt" (Montagausgabe): "Wir wollen die Gesundheitsprämie, das haben wir in der Koalitionsvereinbarung festlegt."
Auch mehrere FDP-Politiker pochten auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages. "Wer nur gemeinsame Vereinbarungen torpediert, löst nicht die Probleme", kritisierte der FDP-Politiker und Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr in der "Welt am Sonntag". Der CSU-Chef solle erst einmal die Arbeit der Regierungskommission abwarten. Ohnehin habe die FDP nicht vor, die Finanzierung der Krankenkassenbeiträge auf einen Schlag auf eine Kopfpauschale umzustellen.
Derweil erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel, die umstrittenen Koalitionspläne zur Kopfpauschale zu einem zentralen Thema des Landtagswahlkampfs in Nordrhein-Westfalen zu machen. Gabriel sagte der "Braunschweiger Zeitung", wenn die Pläne der Regierung Wirklichkeit würden, müssten 40 Millionen Deutsche nach dem Arztbesuch zum Sozialamt gehen, um Unterstützung zu beantragen: "Das Kernversprechen des Sozialstaates ist: Wenn du krank wirst, wirst du deshalb nicht arm - und wenn du arm bist, wirst du deshalb nicht krank. Die Koalition ist dabei, dieses Kernversprechen des Sozialstaats zu brechen."