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stern-Chefredakteur Dieter Bohlen im Interview und eine Recherche zu Femiziden in Deutschland: Gregor Peter Schmitz über den aktuellen stern

Dieter Bohlen auf dem aktuellen stern
Dieter Bohlen im Exklusiv-Interview: Der Entertainer über sein TV-Comeback, die Angst vor der Bedeutungslosigkeit und Wladimir Putin
© STERN MONTAGE; FOTO: STEPHAN PICK/STERN
"Wollen Sie etwa kein Ekel mehr sein, Herr Bohlen?", fragt der stern in seiner aktuellen Ausgabe. Außerdem: Kevin McCarthy wird Sprecher des Repräsentantenhauses und Christine Lambrechts bizarres Silvestervideo.

Über Sinn und Unsinn von Titelbildern zu diskutieren gehört in unserer Redaktion zum guten Ton. Selten aber waren meine Kolleginnen und Kollegen so gespalten wie zu der Frage, ob Dieter Bohlen auf den stern gehört. Aus der Zeit gefallen sei er, riefen die einen, ein Frauenfeind, oft unverschämt zudem gegenüber Journalisten. Hey, wartet mal, Leute, sagten andere, der Mann sei bekannt wie Angela Merkel, er fasziniere, viele schalteten ihn ein im TV, selbst wenn sie es nicht zugäben, auch weil er ausspreche, was viele dächten. Kurzum: Der Mann polarisiert. Das ist immer gut für Titelfiguren.

Den Ausschlag gaben Isabelle Zeiher und Moritz Herrmann. Die beiden trotzten Bohlen in drei Stunden ein offenes Gespräch ab, darüber was man aus seiner Sicht noch sagen darf und was nicht mehr, wie sehr er sich vorm Altern fürchtet – und warum es ihm trotz seiner vielen Erfolge immer noch so wichtig ist, ab Samstag wieder vor Millionen Zuschauern bei "Deutschland sucht den Superstar" den Daumen zu heben oder zu senken. Es war ein hartes Duell, zu fairen Bedingungen: Bohlen stand bei der üblichen Autorisierung des Interviews zu fast allen seiner Äußerungen, selbst zu den brenzligen.

"Will der Kanzler an einer Ministerin festhalten, die wie eine Knallcharge wirkt?"

Eine Frau zu sein ist lebensgefährlich. Wir wissen das aus Ländern wie Mexiko, aus dem Iran, Saudi-Arabien, auch Afghanistan. Das bestürzt uns, aber eines dürfen wir darüber nicht vergessen: wie gefährlich es ist, eine Frau in Deutschland zu sein. "Jeden dritten Tag" heißt unsere Recherche zu Femiziden. Sie schildert, dass alle 72 Stunden eine Frau in Deutschland erschlagen und umgebracht wird, von Partnern und Ex-Partnern. Einfach, weil sie eine Frau ist.

Ist es dann in Ordnung, im nächsten Satz zu fordern, dass eine Frau unbedingt zurücktreten muss? Ja, denn eine Frau zu sein reicht nicht als einzige Qualität einer Ministerin, alles andere würde der Emanzipation einen Bärendienst erweisen. Christine Lambrecht hat spätestens mit ihrem bizarren Silvestervideo gezeigt, dass sie als Verteidigungsministerin nicht geeignet ist. Kanzler Olaf Scholz muss sie entlassen. Er hat nach dem Überfall auf die Ukraine die "Zeitenwende" ausgerufen. Und da will er an einer Ministerin festhalten, die wie eine Knallcharge wirkt?

Blick in die USA

15 Anläufe brauchte Kevin McCarthy, um Sprecher des US-Repräsentantenhauses zu werden. Manche spotteten, das seien sogar mehr Anläufe, als Friedrich Merz benötigte, um CDU-Chef zu werden. Ich kann darüber nicht lachen, zu sehr erschüttert mich die Spaltung des Kongresses, in dem mittlerweile gar ein Kaffee mit dem politischen Gegner als Hochverrat gilt. Beide Lager polemisieren, aber die Republikaner haben diese Kunst auf eine neue Stufe gehoben. Sie dulden nicht nur Demokratieverächter in den eigenen Reihen, sondern auch Leute wie George Santos. Der Abgeordnete ist 34 Jahre alt, das stimmt, sonst aber stimmt bei ihm so gut wie nichts. Er log über seine Abschlüsse, seinen Beruf, seine Schulden, über seine Religion und den Tod seiner Mutter.

Früher hätten die stolzen Republikaner einen wie Santos ausgelacht, nun sitzt der Trump-Fan trotz aller Lügen unter ihnen, seine Stimme gegen die Demokraten zählt. Die Politikwissenschaftlerin Barbara F. Walter hat gerade ein Buch verfasst, wie Bürgerkriege beginnen; sie sieht die USA gar nicht mehr weit davon entfernt. Sie schreibt, unter Donald Trump sei es nicht dazu gekommen, weil dieser zu dumm und ungeschickt gewesen sei. Was, wenn der nächste Trump klüger ist?

Herzlich Ihr,

Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur

Erschienen in stern 03/2023

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