Energiewende Deutsche Atomkonzerne proben den Aufstand

Die Energiekonzerne wollen den Atomausstieg bis 2022 nicht mittragen. Es drohen juristische Auseinandersetzungen. Falls Entschädigungen gezahlt werden müssen, schiebt die FDP der Union schon mal den Schwarzen Peter zu.

Die Atomkonzerne wehren sich gegen den in Stufen geplanten Atomausstieg bis 2022. RWE-Chef Jürgen Großmann forderte in einem Schreiben an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der bayerische Meiler Gundremmingen B solle nicht schon 2017, sondern erst 2021 vom Netz gehen. Vattenfall-Chef Øystein Løseth sagte der Nachrichtenagentur dpa, man verlange für die Zwangsstilllegung seiner Atommeiler Krümmel und Brunsbüttel eine "faire Entschädigung".

RWE-Chef Großmann argumentiert in einem Schreiben an Merkel, das Essener Unternehmen werde einseitig benachteiligt. Es könne wegen der frühen Abschaltung von Gundremmingen B seine Reststrommengen nicht verbrauchen. Gundremmingen C soll hingegen bis 2021 laufen. Es sei nicht ersichtlich, warum die baugleichen Meiler, die binnen eines Jahres ans Netz gegangen seien, nun völlig unterschiedlich behandelt würden. Daher solle auch Gundremmingen B bis 2021 laufen.

Konzerne kritisieren Atomsteuer

"Auf diese Weise wäre sichergestellt, dass auch RWE seine Mengen verstromen kann und nicht darauf angewiesen ist, sie unter Wert zu veräußern oder gar zu verlieren, schließlich brauchen auch wir die finanziellen Mittel, um die Energiewende zu finanzieren", schreibt Großmann. RWE sei einer der größten Investoren in Deutschland bei den erneuerbaren Energien, "aber den Cashflow, um dies zu finanzieren, bringen nach wie vor Kohle und Kernkraft". Die Konzerne kritisieren zudem, dass sie auch weiterhin jährlich insgesamt 1,3 Milliarden Euro Atomsteuer zahlen sollen.

Die Regierung hatte am Montag das elf Gesetze, Eckpunkte und Verordnungen umfassende Atom- und Energiepaket verabschiedet. Acht AKW werden sofort stillgelegt, wobei eine Anlage womöglich als kalte Reserve für Stromengpässe bis 2013 in Bereitschaft gehalten werden soll. Die neun verbleibenden Meiler sollen bis 2022 vom Netz: 2015 Grafenrheinfeld (Bayern), 2017 Gundremmingen B, 2019 Philippsburg II (Baden-Württemberg), 2021 Grohnde (Niedersachsen), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Gundremmingen C und 2022 Isar II (Bayern), Neckarwestheim II (Baden-Württemberg) und Emsland (Niedersachsen).

Großmann: Betreiber bleiben auf Reststrom sitzen

Bis zum Abschaltdatum nicht verbrauchte Strommengen sollen verfallen. Die Konzerne sehen hier einen Eingriff in Eigentumsrechte, weil im Atomgesetz die entsprechenden Mengen zugestanden wurden. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hält dieses Vorgehen für juristisch wasserdicht.

Großmann zufolge könnte es nach der jetzigen Regelung dazu kommen, dass alle Betreiber auf insgesamt rund 60 Terawattstunden sitzen bleiben. Seit der Reaktorkatastrophe in Japan Mitte März ist der Großhandelspreis für Strom zur Lieferung 2012 um über zehn Prozent auf rund 60 Euro je Megawattstunde gestiegen. Damit entspricht die von Großmann genannte Menge einem Wert von 3,6 Milliarden Euro. Am Montag hatte bereits Eon auf die Frage der Reststrommengen verwiesen. Der Konzern gehe davon aus, nicht alle ursprünglich zugesagten Strommengen produzieren zu können. "Dadurch entsteht ein zusätzlicher Vermögensschaden, den wir auch geltend machen werden." Der Versorger hat angekündigt, für den Atomausstieg Schadenersatz in Milliardenhöhe zu verlangen. Zudem will er gegen die Brennelementesteuer klagen. RWE prüft ähnliche Schritte, wie aus Unternehmenskreisen verlautete.

Lindner wälzt Verantwortung auf Union ab

FDP-Generalsekretär Christian Lindner warnte vor Entschädigungsforderungen und schob die Verantwortung dafür der Union zu. Entgegen des ursprünglichen Plans, alle neun Meiler bis 2021/2022 laufen zu lassen, war auf Betreiben von Röttgen, Kanzleramt und Ländern die Abschaltung in Stufen durchgesetzt worden.

Das schwarz-gelbe Konzept sei "nicht FDP-Politik pur", sagte Lindner dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Wir sind uns nicht sicher, ob es nicht zu Entschädigungszahlungen kommen wird. Wir hätten vielleicht Vorsorge getroffen. Aber seitens der Union wurde gesagt, das sei nicht erforderlich." Diese trage daher nun die Verantwortung.

DPA · Reuters
bel/DPA/Reuters