EU-Debatte im Bundestag Steinmeier beschwört mysteriösen Geist

EU-Politik hat derzeit etwas arg Esoterisches. Im Bundestag hat Außenminister Steinmeier den europäischen Geist der Gemeinsamkeit beschworen. Wie dieser aber aussieht, ist ein Mysterium. Der Inhalt der sinnstiftenden Erklärung nämlich, die am Wochenende verabschiedet werden soll, bleibt geheim.

Kurz vor der 50-Jahr-Feier der Europäischen Union haben Außenminister Frank-Walter Steinmeier und weitere Europapolitiker dafür geworben, die EU mit einer Verfassung handlungsfähiger zu machen. "Die Union braucht erneuerte Grundlagen, und das in Gestalt der Substanz der Verfassung", sagte Steinmeier heute im Bundestag in Berlin. Redner aller Fraktionen würdigten die EU als Garanten für Frieden und drängten zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft. Doch blieb offen, was die Regierungschefs der EU-Staaten bei ihrem Treffen am Wochenende in ihrer "Berliner Erklärung" beschließen sollen.

Steinmeier nannte keine Details zu der Erklärung, die die Bundesregierung unter höchster Geheimhaltung vorbereitet. Er sagte nur, sie werde vom Geist getragen werden, dass Europa nur gemeinsam gelingen könne. So lautet auch das Motto der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. In dieser Funktion will die Bundesregierung die Verfassungsdebatte vorantreiben, die nach der Ablehnung des Textes in Frankreich und in den Niederlanden auf Eis liegt. Dazu erhofft sie sich von der "Berliner Erklärung" Aussagen, die auch die anderen Staaten auf dieses Ziel verpflichten. Im Juni will die Bundesregierung beim EU-Gipfel einen Fahrplan zum weiteren Vorgehen vorlegen.

Gipfel-Aussagen zur EU-Verfassung weiter ungeklärt

Steinmeier ging nicht auf die Frage ein, ob die "Berliner Erklärung" das Reizwort "Verfassung" und das Datum 2009 für ihr In-Kraft-Treten enthalten sein wird. Die Bundesregierung strebt dies an, verfassungsskeptische Staaten wie Großbritannien und andere haben jedoch Bedenken geäußert. Das "Handelsblatt" zitierte aus einem Entwurf für die Erklärung, wonach das Jahr 2009, aber nicht das Wort Verfassung genannt würden. Auch werde darin das "europäische Sozialmodell", dessen Erwähnung auch strittig ist, genannt. Die Regierung will den Text erst kurz vor der Unterzeichnung am Sonntag öffentlich machen.

Mehrere Redner drängten in der Debatte auf Fortschritte hin zur EU-Verfassung. Sie sei der beste mögliche Kompromiss zur zukünftigen Gestaltung der Union, sagte SPD-Fraktionsvize Angelica Schwall-Düren. Ihr CDU-Kollege Andreas Schockenhoff erklärte mit Blick auf die Verfassung, eine handlungsfähigere EU wurde auch die gemeinsame Identität stärken. EU-Diplomaten zufolge könnte das Thema Verfassung in der Erklärung durch das Ziel angesprochen werden, die Handlungsfähigkeit angesichts internationaler Herausforderungen zu verbessern. Alternativ wird als Hinweis auch eine "Verbesserung der Entscheidungsstrukturen" erwogen.

Steinmeier: "Europa ist eine Erfolgsgeschichte"

FDP-Chef Guido Westerwelle forderte die Bundesregierung auf, das Parlament über den Stand der Verfassungs-Debatte nicht länger im Unklaren zu lassen: "Es ist kein Europa der Regierungschefs, es ist ein Europa der Völker, und die Volksvertreter sitzen hier!" Grünen-Fraktionschefin Renate Künast drängte die EU zum Jubiläum ebenfalls zu einer mutigen Weiterentwicklung: "Wir müssen ein neues Kapitel aufschlagen." Dazu müssten die nationalen Politiker auch die Erfolge der EU hervorheben und sie nicht immer für Probleme verantwortlich machen. Westerwelle und Künast warnten mit Blick auf den Streit um US-Pläne für eine Raketenabwehr vor einer Spaltung der EU.

Im Bundestag herrschte Einigkeit über die Verdienste der Europäischen Union. "Europa ist eine Erfolgsgeschichte. Das muss eine der Botschaften sein, die von diesem Jubiläum ausgeht", sagte Steinmeier. "Der Rückblick macht Mut für den Blick nach vorn", unterstrich Schockenhoff. Westerwelle forderte die Deutschen auf, die EU und die neuen osteuropäischen Staaten nicht als Bedrohung zu sehen, sondern als Chance: "Deutschland ist zuallererst der größte Gewinner." Dagegen wandte sich die Linkspartei dagegen, durch die EU einen schrankenlosen Markt und Wettbewerb zu schaffen. "Es gibt keine sozialen Grundrechte", kritisierte Fraktionschef Gregor Gysi, der die Verankerung sozialer Mindeststandards verlangte.

Reuters
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