In seinen letzten Amtsjahren als Ministerpräsident von Niedersachsen zeigte Christian Wulff ein großes Herz für die Filmwirtschaft. Von 2007 bis zu seinem Aufstieg zum Bundespräsidenten im Sommer 2010 hatte der CDU-Politiker persönlich die Entscheidungshoheit über beachtliche Fördermittel für Kino- und TV-Filme. Bis zu 1,5 Millionen Euro flossen dafür aus einem Fonds des Landeswirtschaftsministeriums pro Jahr – und immer hatte neben den fachlich zuständigen Beamten der Staatskanzlei Wulff selbst das Sagen, wie die Behörde stern.de bestätigte.
Nichts davon scheint strafrechtlich relevant. Dennoch gewinnt die damalige Förderpraxis Aktualität, wenn das Landgericht Hannover ab dem 14. November die Korruptionsanklage gegen Wulff und seinen langjährigen Freund David Groenewold verhandelt. Groenewold war Filmproduzent. Einerseits bemühte er sich um Hilfen des Landes Niedersachsen, andererseits umwarb er Wulff und zahlte ihm auch mal ein Upgrade für das Hotel.
Über Filmprojekte gesprochen
Wahr ist: Von Wulffs Filmtopf, aus dem bis zu seinem Aufstieg zum Bundespräsidenten um die 3,5 Millionen flossen, hat Groenewold nie profitiert. Bei den Förderungen galt immer die Bedingung, dass die niedersächsische Wirtschaft von den Produktionen zu profitieren hatte. Die Liste der bezuschussten zwölf Filmprojekte, die stern.de vorliegt, scheint dennoch aufschlussreich. Denn viele von Wulffs Förderentscheidungen kamen Produzenten zu Gute, mit denen Groenewold bei anderen Projekten zusammengearbeitet hatte. In zwei Fällen gingen die Gelder an einen Produzenten, mit dem er befreundet war.
Das galt jedenfalls für die damalige Kölner Firma Zeitsprung Entertainment GmbH des alten Groenewold-Kumpels Michael Souvignier. Er hatte mit ihm bereits 2003 "Das Wunder von Lengede" produziert – ein Filmprojekt, bei dessen Dreh sich Wulff und Groenewold erst kennengelernt hatten. Zeitsprung kassierte dann für zwei Filme einige der höheren Fördersummen, die Wulff je vergab. 2008 gab es 345.000 Euro für den Film "Böseckendorf". Am 12. Mai 2010 bewilligte Wulff außerdem 350.000 Euro für "Marco W." - einen Sat-1-Streifen über einen 17-Jährigen aus Uelzen, der 2007 wegen Vergewaltigungsvorwürfen in einem türkischen Gefängnis saß. Ja, er habe auch mit Wulff selbst über seine Filmprojekte gesprochen, "wenn sich die Möglichkeit ergab", erinnert sich Souvignier.
Ungeklärter Sinneswandel
Star des TV-Films "Marco W." war ausgerechnet Veronica Ferres, die Lebensgefährtin des Finanzunternehmers Carsten Maschmeyer – ebenfalls ein Freund und Förderer von Wulff. Laut Aktenlage der Staatskanzlei wollte Wulff den Film ursprünglich gar nicht fördern. Was "den Sinneswandel ausgelöst hat", so die Staatskanzlei, könne nur Wulff selbst beantworten. Aber der wollte sich nicht äußern und ließ seinen Anwalt auf Anfrage von stern.de nur ganz allgemein mitteilen, dass die den "Fragen zugrunde liegenden Sachverhaltsvermutungen unzutreffend sind".
Mehrheitsgesellschafter der Produktionsfirma Zeitsprung war damals übrigens niemand anderes als der frühere Allkauf-Chef Michael Viehof. Seine Familie wird zu den reichsten Deutschlands gezählt. Doch das spielte bei den Förderkriterien keine Rolle.
Bermudadreieck in der Nordsee
Ebenfalls vielfältige Berührungspunkte mit Groenewold hatten die Leute von der in Bayern ansässigen Dreamtool Entertainment GmbH, die Wulff 2010 mit 280.000 Euro bedenken ließ - für den RTL-Film "Bermudadreieck in der Nordsee". Die beiden Dreamtool-Geschäftsführer Stefan Raiser und Felix Zackor hatten einige Jahre zuvor zusammen mit Groenewold zwei TV-Filme mit Titeln wie "Tote Hose" produziert. Miteigentümer bei Dreamtool war über einige Ecken überdies der Filmunternehmer Jan Mojto - selbst ein Groenewold-Partner bei dem 2009 angelaufenen Streifen "John Rabe".
Zackor sagt heute, er habe wegen der Förderung für "Bermudadreieck in der Nordsee" weder mit Groenewold, noch dem damaligen Ministerpräsidenten gesprochen. Groenewold habe ihn und seinen Partner auch nicht auf den Fördertopf aufmerksam gemacht. Das beteuern auch alle anderen ehemaligen Groenewold-Partner, die Hilfen von Wulff bekamen. Groenewold selbst verweist darauf, dass die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt "vollständig" ausermittelt habe. Das soll wohl heißen, dass nichts Strafbares gefunden wurde.
McAllisters Entscheidung
Aber ist alles in Ordnung, was nur keine Straftat war? Nur fünf der zwölf geförderten Filme kamen von Produzenten, die - soweit bekannt - nie mit Groenewold oder dessen Firmen zusammengearbeitet hatten. Liegt es daran, dass die deutsche Filmbranche so klein ist, dass praktisch jeder mal mit Groenewold zusammengearbeitet hatte? Kaum. Nach Branchenschätzungen gibt es über 1000 Filmproduktionsfirmen in Deutschland. Allein der führende Branchenverband, die Produzentenallianz, hat um die 200 Mitglieder.
Ähnliche Fördersummen unter der Oberhoheit des Ministerpräsidenten habe es seines Wissens anderswo nie gegeben, bekennt Produzent Souvignier. Auch Wulffs niedersächsischer Nachfolger David McAllister (CDU) hatte weit weniger Herzblut für die Filmförderung. Nachdem er ins Amt kam, entschied nicht mehr der Chef der Landesregierung – sondern ein schnödes Vergabegremium.
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