Reden kann er. Und wie man eine Rede aufbaut, das weiß Christian Linder auch. Es dauert deshalb keine drei Minuten, dann hat der FDP-Chef den Saal im Griff. Dann applaudieren sich die Delegierten erst einmal in eigener Sache. Voller Stolz auf das Geleistete.
Das will bei der FDP in diesen Zeiten etwas heißen.
Gerade hat Lindner den versammelten FDP-Parteitag noch einmal an "unsere Stunde Null" erinnert. Berlin-Kreuzberg, Dezember 2013, "Station Berlin", eine spröde Halle auf einem ehemaligen Bahngelände in Kreuzberg. Ein paar Wochen zuvor war der FDP seinerzeit das eigentlich Undenkbare passiert. Man hatte sie aus dem Bundestag gewählt. Das erste Mal in der Geschichte.
Dankbarkeit tutti completti
Seit damals ist der 36-Jährige Vorsitzender der Liberalen. Häme hatte es in jenen Wochen gegeben. Oder Mitleid. Wie ein Schauspieler, dem man die große Bühne verweigert, musste er über die Dörfer tingeln.
Und jetzt? Gleicher Ort. Ganz andere Zeiten. Lindner donnert nun. "In dieser Halle haben wir uns von unserer eigenen Ängstlichkeit befreit und den Mut zur Erneuerung gefasst".
Sie nehmen ihm das ab. Tutti completti. Voller Dankbarkeit. Ohne Zweifel. Anders geht es wahrscheinlich auch gar nicht. Anderthalb Jahre und zwei jüngst gewonnene Landtagswahlen - in Hamburg und Bremen - später hat Lindner es geschafft, einem Absteiger zumindest jenes Selbstbewusstsein einzuimpfen, das unabdingbar ist für den Wiederaufstieg in die erste Liga der Politik.
Der Aufstieg ist für die Bundestagswahlen 2017 angepeilt. Dafür muss man an sich glauben. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Es ist mentale Aufbauarbeit. Sinnstiftung (zunächst) jenseits aller Inhalte und ein bisschen nach der Maxime: Alles bleibt anders!

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Lernen aus der Niederlage
Lindner ist ein Sinnstifter. So plausibel wie er kann keiner die Daseinsberechtigung der FDP im Parteienspektrum formulieren (okay, vielleicht noch Wolfgang Kubicki an guten Tagen). Bei Lindner hört sich das so an, eine Portion Chuzpe inklusive: "Die FDP ist auch außerhalb des Bundestags in jeder Minute ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht geworden". Kein Wackeln, kein Ausbrechen nach rechts, keine Versuchung, mit Euro- oder Europaskepsis neue Wählerklientel zu erschließen. "Wir haben aus unserer Niederlage gelernt, unseren Überzeugungen zu vertrauen", sagt der FDP-Chef, stolz auf seine Freien Demokreten, "die auch in der dunkelsten Stunde ihre Liberalität nie einem raschen Applaus geopfert haben".
Das ist Balsam für die wunde liberale Seele. Auf ihrem Parteitag in Berlin danken die Delegierten ihrem Frontmann mit einem Ergebnis, das ihn bis ins Bundestagwahljahr als unangefochtene Nummer Eins ausweist: Er wird mit 92,41 Prozent als Parteivorsitzender im Amt bestätigt.
Lindner wird diese Geschlossenheit brauchen. Den Delegierten hat er schon mal prophezeit, dass mit jedem Erfolg der FDP die Widerstände auch wieder wachsen würden. Da hat er Recht. Eine FDP zurück im Bundestag verändert die Machtarithmetik in diesem Land mit einem Schlag.