Als die Finanzkrise über Deutschland hereinbrach, duckte sich Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) einfach weg. Keine Ansprachen, keine Vorschläge, keine Krisengipfel, nichts. Doch nun muss selbst Glos wieder Politik machen: Die Finanzkrise hat auf die Automobilindustrie durchgeschlagen. Daimler und BMW knipsen ihre Werke ab und schicken ihre Beschäftigten in den Zwangsurlaub. Zentraler Grund der Misere ist die erschlaffende Nachfrage nach Neuwagen, sie ist nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie in Westeuropa um neun Prozent gesunken. Offenbar legen die Menschen in diesen unsicheren Zeiten ihr Geld lieber auf die hohe Kante als zigtausende Euro in einen Neuwagen zu investieren. Es gebe einen "Kaufstau", diagnostizierte Finanzminister Peer Steinbrück.
Diesen will Glos auflösen und schlug daher am Dienstag vor, die Kfz-Steuer so schnell wie möglich neu zu ordnen und auf C02-Basis zu berechnen. Wie Otto Bernhardt, finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, im Gespräch mit stern.de erläuterte, wäre es denkbar, Neuwagen mit einem geringen CO2-Ausstoß bis zu drei Jahre von der Steuer zu befreien. Um die Belastungen für Käufer größerer Autos in Grenzen zu halten, müsste der Bund zugleich auf etwa eine Milliarde Euro Steuern verzichten. Für die Besitzer von Altwagen soll sich nichts ändern. Damit diese Maßnahme rasch zu wirken beginnt, müsste die Große Koalition einen gesetzgeberischen Klimmzug machen: Derzeit kassieren noch die Länder die Kfz-Steuer, die Verlagerung auf den Bund war ursprünglich für das Jahr 2010 vorgesehen. Das System noch in diesem Jahr umzukrempeln wäre ein "Schnellschuss", räumt Bernhardt ein. Aber er sieht die Regierung unter Zugzwang. "Die Politik muss was tun."
Glos versus Steinbrück
Über die Frage, was zu tun ist, ist sich die Große Koalition aber offenbar uneins. Keiner der SPD-Experten wollte auf Nachfrage von stern.de zum Glos-Vorschlag Stellung nehmen. Oliver Heyder-Rentsch, Sprecher des Finanzministeriums, gab sich extrem reserviert. "Wir sind nicht an einer Neuregelung dran", sagte er stern.de. Derzeit würde nur "in den Parteien" über die Kfz-Steuer debattiert. Dieser Andeutung lässt sich entnehmen, dass sich auch die Kfz-Steuer in den Mühlen der parteipolitischen Auseinandersetzung befindet: Sowohl Glos als auch Finanzminister Steinbrück arbeiten momentan an Konzepten, um den wirtschaftlichen Abschwung zu bremsen. Und was Glos (CSU) will, kann Steinbrück (SPD) nicht gut finden. Zumal Glos prinzipiell auf staatliche Mehrausgaben setzt, während Steinbrück versucht, den Haushalt trotz Finanzkrise weiter zu konsolidieren. Glos' Vorschlag aber würde weit mehr als die bereits erwähnte eine Milliarde Euro kosten. Da der Bund noch keine Bürokratie besitzt, um die Kfz-Steuern selbst einzutreiben, müsste er diese Aufgabe von den Ländern erledigen lassen. Und die wollen saftige Gebühren dafür nehmen.
Darüber hinaus ist umstritten, ob die schnelle Einführung der neuen Kfz-Steuer überhaupt als Konjunkturmaßnahme taugt. Der Brüsseler Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) meint, es müsste nun endlich Klarheit über die CO2-Besteuerung geschaffen werden, um die Kaufzurückhaltungen aufzubrechen. Horst Friedrich, verkehrspolitischer Sprecher der FDP, hält dagegen: "Alleine wegen einer geringeren Kfz-Steuer kauft sich niemand ein neues Auto." Man versuche hier mit der Kfz-Steuer etwas zu regeln, was nicht mit der Kfz-Steuer zu regeln sei. Sein Parteikollege Hermann Otto Solms hält die Maßnahme gar für kontraproduktiv. "Jede Veränderung an der Kfz-Steuer in der gegenwärtigen dramatischen Situation auf dem Automobilmarkt wird nur weitere Verunsicherungen auslösen und die Nachfrage nach neuen Autos zusätzlich dämpfen. Der Markt ist hoch sensibel, er ist total eingebrochen. In einer solchen Situation ist es das Beste, einfach Ruhe zu bewahren", sagte Solms zu stern.de.
Peugeot als Krisengewinnler
Auch Vertreter der Grünen und der Linkspartei äußerten sich im Gespräch mit stern.de skeptisch. Das einhellige Fazit: Als ökologisches Steuerinstrument sei die neue Kfz-Steuer sinnvoll, als Konjunkturmaßnahme bringe sie wenig bis nichts. Es könne sogar sein, dass sie eher den Autoproduzenten im Ausland nützen würde - schließlich seien es Firmen wie Toyota, Peugeot und andere, die Wagen mit sehr geringem CO2-Ausstoß herstellen würden.
Der Verband deutscher Automobilhersteller weiß das wohl auch, und fordert deswegen ein noch weit umfangreicheres Maßnahmenpaket. Die Große Koalition solle nicht nur schleunigst die neue CO2-Steuer einführen, sondern auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau dazu veranlassen, zinsgünstige Kredite für Kaufwillig auszugeben. Außerdem soll die EU noch stärker als bisher die Forschung und Entwicklung umweltfreundlicher Autos fördern. Mit anderen Worten: Die Autobauer würden gerne einen kräftigen Schluck aus der Steuerpulle nehmen.
Konturen des Konjunkturprogramms
Kommende Woche will die Große Koalition ihr Konjunkturprogramm vorstellen, in dem Hilfen für die Autoindustrie, Zuschüsse für die Wärmedämmung von Häusern und staatliche Infrastrukturprojekte vorgesehen sind. Dass Glos' Vorschlag zur Kfz-Steuer auch berücksichtigt wird, darf bezweifelt werden.