In die Schweiz gebrachtes Schwarzgeld deutscher Bürger aus den vergangenen zehn Jahren soll mit bis zu 41 Prozent höher als bislang geplant besteuert werden. Das haben Deutschland und die Schweiz nach langen Verhandlungen am Donnerstag in einem Ergänzungsprotokoll zum Steuerabkommen vereinbart. Allerdings ist für das Vorhaben weiter keine Mehrheit im Bundesrat in Sicht. Nach Angaben aus dem Bundesfinanzministerium in Berlin soll die Spannbreite dieser Pauschalbesteuerung von 21 bis 41 Prozent reichen. Damit bestätigte das Ministerium einen entsprechenden Vorab-Bericht von stern.de. Zudem werden Erbschaften in das Steuerabkommen aufgenommen und mit dem Maximalsatz der deutschen Erbschaftssteuer von 50 Prozent besteuert.
Zuvor war eine pauschale Steuer von 19 bis 34 Prozent geplant gewesen. Diese Abgabe auf das gesamte Kapital fällt zum 1. Januar 2013 einmalig an und soll dem Staat rund zehn Milliarden Euro bringen. Ein hoher Regierungsvertreter nannte diese Schätzung allerdings "eher konservativ". Der Stichtag wurde vom 31. Mai 2013 auf den Jahresbeginn vorgezogen.
Künftig müssen die Schweizer Banken dann Steuern auf die Kapitalerträge in Höhe der deutschen Abgeltungssteuer und des Solidaritätszuschlages - also 26,4 Prozent - direkt an den Fiskus abführen. Deutschland und die Schweiz unterzeichneten das nach Kritik von der deutschen Opposition ausgearbeitete Ergänzungsprotokoll am Donnerstagmittag in Bern.
Schäuble lobt "ausgewogene Lösung"
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach in einer Mitteilung von einer "ausgewogenen Lösung" für den langjährigen Steuerstreit beider Länder. In einem Regierungspapier heißt es: "Bereits mit Inkraftreten des Abkommens ... ist keine Verlagerung von Vermögen deutscher Steuerbürger aus der Schweiz in Drittstaaten ohne Meldung möglich".
Von SPD und Grünen regierte Länder haben bereits Widerstand angekündigt. Ein von beiden Parteien gefordertes früheres Inkrafttreten des Abkommens sei bei der Schweiz nicht durchsetzbar gewesen, hieß es im Finanzressort. SPD und Grüne fürchten, dass die Anleger ihr Geld noch vorher woanders hinüberweisen. Die SPD sprach von einem "Persilschein" zur Steuerhinterziehung, dem sie nicht zustimmen werde.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat sein Nein der SPD zum überarbeiteten Steuerabkommen noch einmal bekräftigt. "Dies wird zum zweiten Mal scheitern", sagte er. "Das Abkommen wird nicht wirksam, es enthält viel zu viele Schlupflöcher." Finanzminister Schäuble sei die ablehnende Haltung der SPD vor der Unterzeichnung eines Zusatzprotokolls eindeutig bekannt gewesen, daher trage er allein die Verantwortung für die entstandene Lage.
Opposition übt harsche Kritik
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) warf der Regierung vor, das Zusatzprotokoll vorschnell unterzeichnet zu haben, obwohl dafür noch mehrere Monate Zeit gewesen wäre. "Man setzt uns die Pistole auf die Brust", sagte er in Berlin. Ohne Zustimmung der SPD kann das Abkommen nicht in Kraft treten, weil nur durch die Sozialdemokraten die nötige Bundesratsmehrheit zustandekommt.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erklärte, ein Abkommen, das Steuerhinterziehern dauerhaft Anonymität sichere, sei nicht zustimmungsfähig. Das Steuerabkommen mit der Schweiz versage den deutschen Steuerbehörden Rechte, wie sie die US-Behörden hätten. "Wir brauchen endlich klare Regeln in einem EU-Abkommen", erklärte Trittin.

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Die Regierung solle den Druck auf die Schweiz erhöhen, statt "faule Kompromisse" auszuhandeln, erklärte auch die Linken-Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht. "Die Steuerbetrüger bleiben weiter anonym", kritisierte der Steuerexperte des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac, Detlev von Larcher. "Der Steuerehrliche ist der Dumme."
Regierung appelliert an Opposition
Im Regierungslager sorgte das Nein der Opposition für Empörung. Die Ablehnung sei "unverantwortlich", erklärte der FDP-Finanzexperte Volker Wissing. Gewinner des Neins seien vor allem die Steuerhinterzieher. "Die Opposition muss jetzt endlich auf den Weg der Vernunft zurückfinden", erklärte der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk.
Auch der Bund der Steuerzahler forderte von SPD und Grünen ein Ja zum Steuerabkommen. Ob weitere Nachverhandlungen mit der Schweiz, wie von der SPD gefordert, zu besseren Ergebnissen führten, sei zweifelhaft, sagte Verbandsvizepräsident Reiner Holznagel auf "Handelsblatt Online".