Unsere Verfassung sollte schöner werden. Zumindest aber das traditionelle Gezerre und Geziehe zwischen Bund und Ländern bei der Gesetzgebung verhindern. So weit es eben geht. Am Wochenanfang präsentierten sich Edmund Stoiber und Franz Müntefering, die Vorsitzenden der dafür eingerichteten Föderalismuskommission, handelseinig. Doch dann pochten die die Vertreter der neuen Bundesländer darauf, den Solidarpakt bis 2019 festzuschreiben und zwar nicht irgendwo, sondern gleich im Grundgesetz. Am Freitag nun treffen sich die Beteiligten zu allerletzten Beratungen und trotz aller Schwierigkeiten hoffen Bund und Länder auf den Durchbruch bei ihren Verhandlungen.
Schröder sieht gute Chance für eine Einigung
Unmittelbar vor den entscheidenden Beratungen an diesem Freitag warnen beide Seiten allerdings vor einem Scheitern der mehr als einjährigen Verhandlungen. Nach Kompromiss-Signalen aller Länder für eine Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen sah Kanzler Gerhard Schröder "gute Chancen" für eine Einigung bis zum Wochenende. Das Tauziehen ging jedoch auch vor den Schlussberatungen der Föderalismuskommission unvermindert weiter.
Im Bildungsbereich wollen die Länder dem Bund maximal die Zuständigkeit für Hochschulabschlüsse und -zulassungen zubilligen. Ohne eine weitgehende Kompetenz der Länder sind vor allem die unionsgeführten Länder nicht bereit abzuschließen. Der Bund beharrt auf bisherigen Kompetenzen.
Nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten in Berlin sagte Schröder: "Die Bundesregierung hat ein aufrichtiges Interesse an einem guten Ergebnis." CSU-Chef Edmund Stoiber erklärte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz: "Ein Scheitern wäre schlecht für Deutschland." Es stünden aber noch schwierige Gespräche bevor.
Gegenwärtige Verfassungslage beibehalten
Offen ist nach wie vor auch, ob sich die neuen Länder mit ihrer Forderung durchsetzen, die vom Bund bis 2019 zugesagten Solidarpakt- Gelder im Grundgesetz zu verankern. Mit dieser Position wollen alle Länder in die Verhandlungen gehen. Schröder lehnte dies ab, auch Stoiber zeigte sich trotz des Ländervotums skeptisch.
"Ich bin dafür, dass man es bei der gegenwärtigen Verfassungslage belässt", sagte der Kanzler. Die Ziele des Solidarpaktes wie die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse seien bereits Bestandteil des Grundgesetzes. Der Pakt als solcher sei nur ein Instrument, "und Instrumente schreibt man nicht in die Verfassung". Von SPD-Chef Franz Müntefering und dem Bundesfinanzministerium war bereits zuvor eine Absage gekommen.
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Die neuen Länder befürchten, dass ein Teil der zugesagten Solidarpakt-Gelder in Höhe von rund 51 Milliarden Euro trotz klarer Zusagen am Ende gestrichen werden könnten. Sie wollen eine Erwähnung der Vereinbarungen in der Verfassung und einen Hinweis auf eine genaue gesetzliche Regelung. Diese Erwähnung könnte so aussehen, dass der Solidarpakt in einem neuen Artikel des Grundgesetzes über Finanzhilfen des Bundes an die Länder erwähnt wird. So verlautete es bei CDU und SPD. Die genaue Ausgestaltung des Pakts solle in einem Begleittext festgeschrieben werden.

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Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), zeigte sich optimistisch, dass die Einigung gelingen wird. Bewegung gab es bei der "Hauptstadtklausel". Die Länder fordern, dass eine Verantwortung des Bundes für Berlin ins Grundgesetz aufgenommen wird.
Streitpunkte sind neben der Bildungspolitik und dem Solidarpakt auch eine erweiterte Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes bei der Terrorabwehr. Hier muss insbesondere die rot-grüne Koalition eine Position finden. Auch im Umweltrecht sowie bei der Mitwirkung der Länder in Europafragen gibt es noch Verhandlungsbedarf.
Der Bund weiß, dass er sich bewegen muss
Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sprach von "Felsbrocken, die noch auf einem Weg zu einer Einigung liegen". Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) sagte eine "noch heftige Debatte" voraus. Bund und Länder seien noch ein Stück auseinander. "Ich glaube, dass der Bund weiß, dass er sich bewegen muss." Stoiber sah eine "breite Unterstützung aller Ministerpräsidenten".
Die Grünen haben davor gewarnt, die Föderalismusreform an einem Streit um Bund-Länder-Kompetenzen im Bildungsbereich scheitern zu lassen. Allen Beteiligten sollte bewusst sein, dass bei einem Misserfolg "alles so bleibt wie es ist", sagte Grünen-Fraktionschefin Krista Sager. Es bestehe auf beiden Seiten hoher Erfolgsdruck. Die Länder sollten nicht darauf spekulieren, dass sich nur der Bund bewegt.