Islamistische Terrorhelfer verbreiten ihre Propaganda nach den Worten von Generalbundesanwältin Monika Harms immer stärker über das Internet. Die Zunahme des "Cyber- Dschihadismus" sei eine neue Entwicklung, sagte Harms am Freitag in Karlsruhe. Bundesanwalt Rainer Griesbaum sieht darin den derzeitigen Schwerpunkt der Aktivitäten internationaler Terrornetzwerke: "Diese Propagandasäule ist nach unserem Dafürhalten derzeit die stärkste Betätigung der beiden terroristischen Vereinigungen El Kaida und El Kaida im Zweistromland", sagte der Abteilungsleiter innere Sicherheit der Bundesanwaltschaft.
In Deutschland ist nach Einschätzung von Harms nach wie vor mit terroristischen Anschlägen zu rechnen. "Die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus ist aus unserer Sicht nicht zu unterschätzen", sagte sie bei einer Pressekonferenz. Zwar bestehe kein Anlass zu Panik. Allerdings sei Deutschland kein Ruheraum, dies hätten die im vergangenen Sommer nur wegen eines handwerklichen Fehlers fehlgeschlagenen Kofferbombenanschläge auf zwei Regionalzüge gezeigt. Die mutmaßlichen Täter wollten am 31. Juli gleichzeitig zwei aus Gasflaschen gefertigte Sprengsätze in Zügen nach Dortmund und Koblenz detonieren lassen.
Anklage der Kofferbomber erst 2007
Nach Griesbaums Worten hat der im Libanon inhaftierte mutmaßliche Kofferbomben-Attentäter Jihad Hamad ausgesagt, mit der Tat hätten sich er und der in Deutschland inhaftierte Youssef Mohamad El Hajbib für die umstrittenen Mohammed-Karikaturen rächen wollen. "Wir wollten möglichst viele Menschen töten", habe er zugegeben. Auch eine Explosion in einem Bahnhof hätten sie in Kauf genommen. Eine Detonation hätte dem Bundesanwalt zufolge "verheerende Folgen" gehabt: Bei einem Versuch der Bundesanstalt für Materialprüfung sei ein Feuerpilz von 20 bis 30 Meter Durchmesser entstanden, der die Propangasflasche vollkommen zersplittert habe.
Aus dem Libanon soll die Bundesanwaltschaft demnächst weitere Vernehmungsprotokolle bekommen. Außerdem würden Beamte des Bundeskriminalamts den Laptop des Verdächtigen einer physikalischen "Spiegelung" unterziehen, um die Beschaffung der Bombenbauanleitung via Internet nachzuvollziehen. Die mutmaßlichen Kofferbomber von Köln werden wegen der umfangreichen Ermittlungen voraussichtlich erst im zweiten Halbjahr 2007 angeklagt. "Wir werden bestimmt noch sechs Monate ermitteln müssen, um ein Gesamtbild des ungeheuerlichen Tatplans zu bekommen", sagte Griesbaum.
Die Internetaktivitäten im Kofferbombenfall, vor allem aber die Festnahme eines mutmaßlichen Islamismus-Propagandisten im Oktober in Niedersachsen zeigen nach Griesbaums Worten die wachsende Bedeutung des Internets. Durch diese Ermittlungen sei die Bedeutung der Internet-Propaganda deutlich geworden. Diese sorge dafür, die über die Welt verstreuten Kämpfer und Unterstützer auf die Linie der terroristischen Vereinigung zu bringen. "So lässt sich anonym und schnell ein Netzwerk aufrechterhalten." Der 36-jährige Iraker Ibrahim R. soll vom häuslichen Arbeitszimmer aus über Chatrooms El-Kaida- Botschaften verbreitet haben.
Harms mahnt zur Wachsamkeit
Auch der Fall des im Juli in Kiel verhafteten Redouane E.H. belege die neuere Art der El-Kaida-Unterstützung, sagte Griesbaum. Der 36- jährige Deutsche marokkanischer Herkunft habe sich durch Verpflichtungserklärungen gegenüber einem Mittelsmann von Osama bin Laden dazu bereit erklärt, El Kaida durch Geld und die Rekrutierung von Kämpfern zu unterstützen. Die Ermittlungen stehen dem Bundesanwalt zufolge vor dem Abschluss.
Generalbundesanwältin Harms mahnte zur Wachsamkeit, um Anschläge schon in einem frühen Planungsstadium verhindern. "Eine wirksame Bekämpfung des islamistisch motivierten Terrorismus ist nach meiner Auffassung nur durch eine intensive Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden möglich." Dazu leiste das Ende 2004 in Berlin eingerichtete Gemeinsame Terrorabwehrzentrum einen wichtigen Beitrag.