Hat sich Altkanzler Gerhard Schröder tatsächlich als Vermittler in die Ukraine-Krise eingeschaltet? Berichte über einen angeblichen Besuch des früheren SPD-Vorsitzenden beim russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau sorgen für Wirbel. Das Nachrichtenportal "Politico" und die "Bild"-Zeitung berichteten am Donnerstag, die Reise sei auf Wunsch der ukrainischen Regierung zustande gekommen. Eine Bestätigung dafür gab es bisher allerdings nicht. Im Gegenteil.
Aus der Bundesregierung hieß es, man sei über eine solche Reise nicht informiert worden. Kanzler Olaf Scholz (SPD) kommentierte die Berichte über die angebliche Vermittlungsmission am Rande des EU-Gipfels in Versailles mit einem knappen: "Ich möchte das nicht kommentieren." Und der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Mir ist davon nichts bekannt. Ich kann mir schwer vorstellen, dass meine Regierung Schröder darum gebeten hat." Auch in Schröders Partei, der SPD, wusste offenbar niemand etwas.
Gerhard Schröder: Über den Umweg Istanbul nach Moskau
Einzig Schröders Ehefrau Soy-eon Schröder-Kim postete auf ihrer Instagram-Seite am Abend ein Foto von sich mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen, auf dem im Hintergrund die Basilius-Kathedrale am Roten Platz in Moskau zu sehen ist. Einen Kommentar schrieb sie zu diesem Bild nicht. Das Bild wurde in sozialen Medien vielfach als selbstdarstellerisch kritisiert.
Nach dem Bericht von "Politico" hat Schröder-Kim ihren Ehemann tatsächlich nach Moskau begleitet – auf einem Umweg über Istanbul. Die Reise sei von einem Kiewer Politiker eingefädelt worden. Er soll den Kontakt zu Schröder über den Vorstandschef des Schweizer Verlagshauses Ringier, Marc Walder, gesucht haben um ihn darüber zu informieren, dass die ukrainische Regierung ihn gerne als Vermittler sehen würde.
Wladimir Putin stimmt Treffen angeblich in Minuten zu
Am Montag sei das Ehepaar Schröder-Kim zunächst nach Istanbul gereist, wo der Altkanzler eine ukrainische Delegation getroffen habe. Seine anschließende Bitte bei Putin um ein Treffen soll innerhalb von zehn Minuten positiv beantwortet worden sein. Am Mittwoch seien Schröder und Schröder-Kim dann mit einer russischen Maschine nach Moskau gebracht worden.
Schröder-Kim hatte schon Samstag auf Instagram geschrieben: "Ihr könnt sicher sein, was auch immer mein Mann tun kann, um zur Beendigung des Krieges beizutragen, wird er tun und zwar unabhängig von Ultimaten der SPD oder anderen Organisationen wie etwa dem DFB."
Angriff auf die Ukraine – Gesichter des Krieges

Schröder wegen Geschäftsbeziehungen massiv in der Kritik
Der frühere Kanzler gilt als langjähriger Freund von Präsident Putin, der am 24. Februar einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat. Wegen seiner Verbindungen nach Moskau steht Schröder seit langem in der Kritik, vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs gab es zunehmend Druck, weil er seine Geschäftsbeziehungen zu Russland nicht aufgab. Konkret geht es um Posten bei den Erdgas-Pipeline-Unternehmen Nord Stream 1 und 2 sowie beim russischen Ölkonzern Rosneft, wo er Aufsichtsratschef ist.
Die SPD-Spitze hat Schröder bereits ultimativ aufgefordert, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen niederzulegen. Man erwarte eine "zeitnahe" Antwort, hatte Parteichef Lars Klingbeil vor einer Woche gesagt. Bisher ist eine solche Antwort Schröders nicht bekannt. Später riefen die SPD-Chefs Klingbeil, Saskia Esken und acht ehemalige SPD-Vorsitzende Schröder in einem Brief zur Distanzierung von Putin auf. "Handle und sage klare Worte", forderten sie. Der SPD-Ortsverein Heidelberg hat bereits ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder beantragt.

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Ex-Kanzler äußerte sich kaum zum Ukraine-Krieg
Der Ex-Kanzler hat sich seit Kriegsbeginn erst einmal öffentlich dazu geäußert. Am 24. Februar forderte er im Online-Netzwerk LinkedIn Russland dazu auf, den Krieg und das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine schnellstmöglich zu beenden. Gleichzeitig betonte er, dass bei notwendigen Sanktionen die politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Verbindungen zwischen Europa und Russland nicht ganz gekappt werden dürften.