Gesundheitsreform Erstarrte Verhandlungen

Der erhoffte Durchbruch ist weit entfernt - Union und SPD können sich im Streit um die Gesundheitsreform angesichts konträrer Positionen und gegenseitiger Vorwürfe nicht einigen. Streitpunkte bleiben der Gesundheitsfonds und die Private Krankenversicherung.

Angesichts konträrer Positionen und bitterer Blockade-Vorwürfe sind Union und SPD vom erhofften Durchbruch im Streit um die Gesundheitsreform noch weit entfernt. Bis zum späten Donnerstagabend war bei einer als entscheidend eingestuften Sitzung der Fachpolitiker nicht absehbar, wie sich die große Koalition in einer Woche beim Treffen ihrer Spitzenpolitiker einigen soll. Beide Seiten richteten sich auf eine lange Nacht ohne Zeitlimit ein und beteuerten ihren Einigungswillen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte von beiden Seiten ein Ende des parteipolitischen Hickhacks, gab sich aber trotz der Spannungen noch optimistisch.

"Sie können Ihre Betten aufschlagen"

Strittig waren zuletzt noch die Zukunft der privaten Krankenversicherung, der Kassen-Finanzausgleich sowie die Grenze für Zuzahlungen. "Ich glaube, dass die Menschen es nicht leiden können, wenn sie den Eindruck haben, es wird immer negativ diskutiert: Das geht nicht, das geht nicht", sagte Merkel in der ZDF-Sendung "Berlin Mitte". Die große Koalition werde davon profitieren, "wenn wir unseren Job anständig machen". Die Unions-Ministerpräsidenten hätten zunächst die Interessen der Länder im Blick - kompliziert werde es allerdings, wenn es Tabus gebe. So müsse im Streit um Zuzahlungen eine praktikable Lösung gefunden werden. Merkel fügte hinzu: "Ich glaube, da sind wir auf einem guten, richtigen Weg."

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sagte am Abend nach neun Stunden mit Verhandlungen, Einzelberatungen und gegenseitigen Vorwürfen der Experten von CDU, CSU und SPD zu Journalisten: "Sie können Ihre Betten aufschlagen." Die SPD-Fraktion setzte nach Angaben von Partei-Vize Elke Ferner einen Fraktionsabend ab, um unbeschränkt weiter verhandeln zu können.

"Ein Entgegenkommen der anderen Seite kann man eigentlich nicht wahrnehmen", hieß es aus Unionskreisen. SPD-Vize Ferner warf der Union ihrerseits vor, auf Zeit zu spielen. Die Fachpolitiker wollten keine Einigung, so dass die Koalitionsspitzen bei ihrem Treffen am kommenden Mittwoch alles auf den Tisch bekämen. Das Unionsziel sei, die für die SPD nicht verhandelbare Ein-Prozent-Obergrenze möglicher Zusatzbelastungen zu kippen. Auch Schmidt monierte: "Man kann nicht einen Kompromiss der Kompromisse machen."

"Darüber verhandele ich nicht"

Beim Streitpunkt Privatversicherung schlug die Union nach Ferners Angaben vor, dass Versicherte künftig zwischen den Kassen wechseln können, ohne dass ein einheitlicher Basistarif für alle eingeführt wird. CSU-Experte Wolfgang Zöller sagte: "Ich halte diesen Vorschlag für sinnvoll, weil er auch die Eckpunkte abdeckt." SPD-Vize Ferner kritisierte, damit könnten faktisch nur Versicherte mit höheren Risiken wechseln, der Wettbewerb bliebe eingeschränkt. Aus Unionskreisen hieß es, die SPD wolle "einen völligen Paradigmenwechsel" - dies werde die Union nicht mittragen.

Ferner kritisierte auch, dass der Wechsel von Privatversicherten in gesetzliche Kassen laut Union faktisch ausgeschlossen werden solle: "Darüber verhandele ich nicht." Die Verhandlungen seien "etwas erstarrt", hieß es von Unionsseite. Hier wurde nicht ausgeschlossen, dass entgegen der Planung keine Grundlage für das Spitzentreffen am 4. Oktober geschaffen werden könne. Hier soll der Streit eigentlich insgesamt gelöst werden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Unionskreise zweifelten die Autorität von Ministerin Schmidt in den eigenen Reihen an. Bereits erzielte Einigungen beim Finanzausgleich seien vom Tisch, hieß es. In diesem Konflikt warf Ferner der Union vor, sich nicht an die beschlossenen Eckpunkte zu halten. Die SPD sieht es für den geplanten Gesundheitsfonds als nötig an, dass zwischen den Kassen unterschiedliche Kosten durch die Ungleichverteilung von Kranken ausgeglichen werden. Unions- Ministerpräsidenten mit wohlhabenden Kassen hatten vor einem Abfluss von hunderten Millionen Euro aus ihren Ländern gewarnt.

Rürup und Fiedler sollen schlichten

Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Kurt Beck beschlossen, dass der Sachverständige Bert Rürup und der Ex-Barmer-Vorstandschef Eckart Fiedler den Streit über die Ein-Prozent-Grenze für Zusatzbeiträge schlichten sollen. Mit der Bestätigung dieser Experten beendete die Staatsministerin im Kanzleramt, Hildegard Müller (CDU), ein tagelanges Rätselraten. Einen Bericht, wonach die beiden Experten auch zu anderen Streitthemen gefragt werden sollen, wies Müller zurück.

Merkel brachte im ZDF-Interview ins Spiel, dass stabile Krankenkassenbeiträge im Fall deutlich höherer Steuereinnahmen denkbar seien. "Wenn wir mehr Steuereinnahmen haben, als wir erwartet haben, und das werden wir am Ende des Jahres wissen, dann bin ich dafür, dass wir unsere Kürzung an Steuergeldern wieder zurücknehmen", sagte sie mit Blick auf die Senkung des Bundeszuschusses für die Krankenversicherung. "Das heißt, dass die Beiträge möglichst gar nicht steigen." Bisher ist eine Anhebung der Krankenkassenbeiträge für 2007 in Höhe von.0,5 Prozentpunkten vorgesehen.

DPA
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