Gesundheitsreform Lebenszeichen aus dem Reformsumpf

Die Koalition hat sich im Streit um die Gesundheitsreform darauf geeinigt, dass die Kassen weiterhin die Beiträge einziehen sollen. Für die Kassen ist das ein Sieg, der Fonds wird gestutzt, die Hauptstreitpunkte bleiben offen.

Und die große Koalition bewegt sich doch, ein wenig zumindest - und demonstrativ. Nach übereinstimmenden Angaben haben sich die Experten der Koalition am Dienstag über den Beitragseinzug, den künftigen Verband der Krankenkassen und die Klinikfinanzen geeinigt. So sollen die Krankenkassen weiter für den Einzug der Beiträge der Versicherten zuständig sein. Den bereits in den Eckpunkten zur Reform beschlossenen Plan, die Beiträge der Krankenversicherung von Arbeitgebern und -nehmern durch regionale Stellen einziehen zu lassen, ließ man fallen.

"Die Fachleute haben den Willen zur Einigung"

Vertreter von Union und SPD bemühten sich am späten Nachmittag, die Einigung als erkleklichen Fortschritt in den festgefahrenen Verhandlungen zur Gesundheitsreform darzustellen. Schließlich hatten Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Kurt Beck am vergangenen Freitag den Wählern versprochen, dass es nun an die Arbeit gehe bei der Reform. Endlich gebe es "positive Ergebnisse" zu vermelden, jubelte dementsprechend auch Unions-Vizefraktionschef Wolfgang Zöller am Dienstag. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil legte später per Presseerklärung geflissentlich nach: "Die Fachleute der Koalition haben bewiesen, dass sie den Willen zur Einigung haben. Die heutige Entscheidung ist ein wichtiger Schritt für eine zügige Realisierung der in den Eckpunkten vereinbarten Gesundheitsreform", schrieb Heil.

Der Fonds wird ein Stück weit entkernt

Diese feierlichen Erklärungen sind freilich eher als Bekenntnis zur Koalition in der Krise zu verstehen denn als Lösung des Reformstreits. Die wirklich strittigen Punkte - das Gerangel um die private Krankenversicherung, die Lastenverteilung zwischen den Ländern und die Ein-Prozent-Klausel - bleiben offen. Die Einigung vom Dienstag ist so zunächst ein Versuch, die Stimmung zu verbessern, und sie ist ein Sieg für die Krankenkassen. Diese sind organisatorisch weiter für den Einzug der Beiträge zuständig, auch wenn sie diese nachfolgend in den Fonds fließen lassen müssen. Zwar ist damit keine Entscheidung darüber getroffen, wer wieviel bekommt, aber die Schaffung einer Sonder-Behörde ist nun ebenso vom Tisch wie die mögliche Entlassung von Kassen-Mitarbeitern, die auch bisher für das Einziehen der Beiträge zuständig waren. Die Planung einer neuen Behörde war von Kritikern als die Schaffung eines Bürokratie-Monsters gegeißelt worden. Andere, wie etwa Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, hatten argumentiert, eine zentrale Einzugsstelle verdeutliche Kassen, dass sie künftig nicht mehr quasi-staatliche Funktionen wahrnehmen dürften und verschärfe so den Wettbewerb. Der Gesundheitsfonds, ursprünglich das Kernstück der Reform, wird durch diese Entscheidung weiter gestutzt, weil er weitgehend ohne bürokratischen Unterbau funktionieren muss. Er wird ein Stück virtueller, schwerer zu greifen.

Einheitlicher Dachverband der Kassen

Einigkeit herrschte zwischen den Koalitionären auch bei Details des geplanten einheitlichen Dachverbands der Krankenkassen, der einige Aufgaben der bisher sieben Kassen-Spitzenverbände übernehmen soll, wie Zöller erläuterte. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts werde dem Spitzenverband die Aufsicht über den neuen Beitragseinzug übertragen, sagte Reimann. Die Unions- und SPD-Experten beschlossen zudem einen Stufenplan für den geplanten Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser für die Kassen in Höhe von 500 Millionen Euro. Kliniken mit weniger Behandlungen sollen weniger beitragen.

Reuters
FGÜ/Reuters

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