Gesundheitsreform Gerüchte um Ulla Schmidts Entlassung

Das Schiff sinkt, die Gesundheitsreform steht kurz vor dem Aus. Jetzt gilt: Rette sich, wer kann, es geht nur noch ums politische Überleben. Angeblich will Kanzlerin Angela Merkel deshalb auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt los werden.

Es ist ein Gerücht. Quellen werden nicht genannt, der Ministeriums-Sprecher dementiert "aufs Schärfste." Und dennoch: Die "Süddeutsche Zeitung" hat am Mittwoch berichtet, dass die Entlassung von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Gespräch sei. Die miesen Wahlergebnisse der Union vom Wochenende hätten die Fronten zwischen Union und SPD derart verhärtet, dass auch personelle Veränderungen nicht mehr tabu seien, heißt es.

Merkel übt sich in Entschlossenheit

Auch wenn das Ministerium die Meldung als Ente bezeichnet, so lässt alleine das Gerücht tief blicken: Im Streit um die Gesundheitsreform geht es nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um blanke Macht und politisches Überleben. Das Schiff sinkt, die Reform steht kurz vor dem endgültigen Aus, jetzt gilt: Rette sich, wer kann, mit allen Mitteln. Angela Merkel, die im Streit mit ihren verbündeten Gegenspielern in der SPD aber auch in der eigenen Partei Führungsschwäche hat erkennen lassen, versucht jetzt, nach außen entschlossenes Durchgreifen zu demonstrieren. Aus dieser Perspektive könnte eine Aufsehen erregende Ministerentlassung durchaus ins Konzept passen. Schmidt gilt als starke Ministerin, deren Entmachtung die Kanzlerin als Beleg für ihre eigene Führungsstärke nutzen könnte - auch wenn Merkel und ihre Ministerin bis vor kurzem als Verbündete im Ringen um die Reform galten.

Seit Anfang dieser Woche legt Merkel es gezielt auf einen Konflikt mit Schmidt an. Am Montag bezichtigte sie die Ministerin, sie und ihr Ministerium seien Schuld an der "dramatischen" Verzögerung der Reform. Würde es sich hier tatsächlich um einen Versuch handeln, Schmidts Entlassung vorzubereiten, wäre das erstaunlich, weil Merkel laut Koalitions-Deal der SPD gar nicht vorschreiben kann, wen die Genossen zum Minister machen. Würde Merkel Schmidt ernsthaft kippen wollen, wäre das deshalb ein Schritt, der das gesamte Gefüge der große Koaltion in Frage stellen würde. SPD-Chef Kurt Beck wäre sofort unter Zugzwang, denn eigentlich könnte er sich einen derartigen Affront Merkels nicht gefallen lassen. Es ginge dann nicht mehr nur um die Gesundheitsreform, es ginge zwangsläufig um die Frage: Wollen wir diese große Koalition überhaupt noch? Sollen wir sie platzen lassen?

Union will SPD zum Sündenbock stempeln

Die Frage steht jedoch ohnehin im Raum, wenn man sich die taktischen Manöver der verbündeten Kontrahenten betrachtet. Die Attacken auf Schmidt dienen Merkel offenbar dazu, die Genossen im Streit um die Gesundheitsreform zum Sündenbock zu stempeln. Scheitert die Reform, soll die SPD als Schuldige dastehen. Dabei verfolgt die Union derzeit offenbar die Taktik, sich inhaltlich kaum mehr zu bewegen, aber die SPD, die auf den ausgehandelten Eckpunkten beharrt, öffentlich als Verhinderer darzustellen. Damit steht die SPD-Führung mit dem Rücken zur Wand: Entweder sie lässt sich die Vorwürfe gefallen, was politisch nicht drin ist; oder sie sucht hinter den Kulissen das klärende Gespräch mit Merkel in der Hoffnung, eine gemeinsame gesichtswahrende Exit-Strategie zu finden; oder Beck greift Merkel öffentlich an. Sollte der SPD-Chef das tun, suchte er den öffentlichen Showdown, wäre es um die große Koalition im Prinzip bereits geschehen.

"Die Beamten sollen besser in die Hufe kommen"

Konkret werfen die Unions-Spitzen Schmidts Ministerium vor, bei der Zuarbeit zu den Expertengesprächen von Union und SPD zu versagen, an denen Politiker der großen Koalition aus Bund und Ländern teilnehmen. Die Beamten sollten bei der Formulierung der Gesetzestexte "besser in die Hufe kommen", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Er beschwert sich, dass die jüngsten Formulierungsvorschläge erst am Montagabend bei der Union eingetroffen seien. Diese werde man prüfen. Er gehe aber davon aus, dass man bis zum bisher avisierten Termin für das Expertentreffen am Donnerstag nicht fertig werde. Aus dem Ministerium hieß es dagegen, man habe die Unterlagen zum verabredeten Zeitpunkt zur Verfügung gestellt.

Ramsauer fährt Merkel in die Parade

Dass der Versuch der Kanzlerin, Entschlossenheit zu demonstrieren, auch nach hinten los gehen kann, zeigt eine Auseinandersetzung, in die Merkel in dieser Woche mit der CSU geschlittert ist. Anfang der Woche hatte sie gesagt, für sie sei durchaus vorstellbar, dass die Details der Gesundheitsreform auch im Vermittlungsausschuss von Bundstag und Bundesrat nachverhandelt werden könnten. Allgemein wurde dieser Schritt als Versuch der Regierungschefin gewertet, ihr Gesicht zu wahren angesichts immer neuer Kritik der Unions-Ministerpräsidenten an der Reform. Aber selbst diese Form des Gesichtwahrens wurde Merkel von den eigenen Leuten nicht gestattet. So geht's nicht, ließ CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, am Dienstag in Berlin unverblümt verlauten. Laut "Tagesspiegel" sagte Ramsauer, es sei ein "halber Amoklauf", die endgültige Festlegung auf eine Reform erst im Vermittlungsausschuss zu treffen. Der CSU-Mann drang darauf, dass Merkel sich zuerst mit den Länder-Chefs einigen müsse, dann könne die Reform ins Kabinett, um dann sicher die beiden Parlamentskammern zu passieren. Ramsauer machte deutlich, dass die CSU die Reform im Bundestag notfalls blockieren könnte.

Stoiber dringt auf Bayern-Rabatt

Kritik an der Reform hagelt es auch aus anderen unionsgeführten Ländern, aus dem Saarland, aus Baden-Württemberg, aus Hessen etwa. Dass aber gerade die Bayern offenbar Gefallen daran gefunden haben, Merkel in Sachen Gesundheitsreform vor sich her zu treiben, zeigen auch weitere Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber vom Mittwoch. Bei der Herbstklausur der CSU-Landtagsklausur im oberfränkischen Kloster Banz drang er auf eine Art Bayern-Rabatt. Die Kassen im Süden hätten wegen der größeren Zahl von Arbeitsplätzen und höherer Einkommen auch höhere Einnahmen, sagte Stoiber. Den bayerischen Kassen würden bei bundesweiten Pauschalbeiträgen 1,7 Milliarden Euro fehlen. "Deswegen brauchen wir beim Gesundheitsfonds regionale Zu- und Abschläge", sagte er. Er habe die Eckpunkte der großen Koalition zur Gesundheitsreform von Anfang an nur als Einstieg in die Reform bezeichnet, sagte der CSU-Chef.

Florian Güßgen mit DPA