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stern-Chefredakteur "Von dem Mann habe ich meine erste CD gekauft" – Gregor Peter Schmitz über das Exklusiv-Interview mit Herbert Grönemeyer

Gregor Peter Schmitz Editorial: Cover des aktuellen stern
Gregor Peter Schmitz im Gespräch mit Herbert Grönemeyer für den aktuellen stern 
© stern
Im Editorial des stern berichtet Chefredakteur Gregor Peter Schmitz in dieser Woche, warum er bei seinem Interview mit Sänger Herbert Grönemeyer bei aller journalistischen Distanz etwas "star struck" war.

Die Angelsachsen kennen den schönen Begriff "star struck". Dieser Zustand hat nichts mit einem Schlaganfall zu tun, oder doch schon, denn auch er bedeutet, dass man kaum einen Muskel mehr vernünftig bewegen kann, allerdings nicht aus Schwäche, sondern weil die Aufregung so groß ist, einen Prominenten zu treffen.

Journalisten dürfen natürlich nie "star struck" sein, das verbietet unser Selbstverständnis als abgeklärte Zeitgenossen, die alles schon gesehen und jeden getroffen haben. Trotzdem kann es uns rätselhafterweise doch erwischen, mich zuletzt, als ich mit meinem Kollegen Hannes Roß Herbert Grönemeyer gegenübersaß. Von dem Mann habe ich meine erste CD überhaupt gekauft, ihn habe ich bei meinem ersten Konzertbesuch bejubelt – und ein Konzert von ihm war auch das letzte, bei dem ich war, in Gelsenkirchen, am Ende sang er von der Currywurst.

Grönemeyers schwieriges Verhältnis zu den Deutschen

Man kann sagen: Grönemeyer ist die Bundesrepublik, tief im Westen aufgewachsen – Bochum! –, heute aber über Ostdeutschland besorgt. Er ist auch der wohl allerdeutscheste Barde, der mit jedem Album die deutsche Seele vermisst. Natürlich wollten wir von ihm wissen, wie Corona und Corona-Einsamkeit seine neuen Lieder geprägt haben, aber flugs ging es um Politik. Am interessantesten ist, wie schwer sich Grönemeyer, der lange in London gelebt hat, mit den Deutschen tut – und zugleich nicht lassen kann von ihnen.

Er spricht über Ex-Kanzlerin Angela Merkel, als sei sie ein Rätsel, das er noch ergründen müsse. Und dann ist der Sänger auch ein bald 67 Jahre alter Mann, der einst über Steinkohle und deren Zauber sang, das Röhren von Verbrennermotoren liebte, heute aber bei Demonstrationen von "Fridays for Future" auftreten würde – und der sich an einen Satz seines Vaters erinnert: "Je älter ich werde, desto toller werde ich." Grönemeyer selbst sagt: "Ich werde auch mit 93 versuchen, epochale Küsse zu geben." Roß und ich sind uns einig: Irgendwie schafft Herbert es, dass solche Sätze bei ihm nicht peinlich klingen.

Neue Bankenkrise

Über Generäle wird gern gesagt, sie kämpften im Zweifel stets den letzten Krieg, weil sie nie die richtigen Lehren aus dem vorherigen zögen. Wie sieht es mit den Generälen des Geldes aus, den Zentralbanken und den Aufsichtsbehörden? Rund 15 Jahre ist die Weltfinanzkrise her, sie hat für Verwerfungen gesorgt und die Wut über Milliardenpakete für Zocker-Banker befeuert, welche Populisten wie Donald Trump groß gemacht haben. Nun implodierte erst die Silicon Valley Bank, woraufhin es in Europa hieß, das sei bei uns nicht möglich. Kurz darauf ging bei uns die Credit Suisse in die Knie, die Angst vor einer neuen Krise ist greifbar. Bei der Silicon Valley Bank lag der Niedergang auch an zu laxer Regulierung, für die sich deren Chef eingesetzt hatte. Und bei der Credit Suisse hatte das Topmanagement wohl über die vergangenen zehn Jahre rund 32 Milliarden Euro an Boni eingesackt, während die Bank mehr als drei Milliarden Euro Verluste schrieb. Haben wir so viel gelernt?

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat es getan: Wladimir Putin einen Kriegsverbrecher genannt und per Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben. Theoretisch wäre es denkbar, dass dieser bald auf "Gesucht"-Plakaten zu sehen ist. Diplomaten unken, damit gebe es keinen Verhandlungs-Weg zurück. Aber, fragt der Justizexperte Ronen Steinke in der "Süddeutschen Zeitung", wären wir umgekehrt heute nicht da, wo wir sind, wenn wir Ähnliches schon vor Jahren, etwa nach der Annexion der Krim, getan hätten?

Erschienen in stern 13/2023

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