Grünen-Parteitag "Wir sind kein Anhängsel"

Beim Grünen-Parteitag in Köln übten die Parteichefs Claudia Roth und Reinhard Bütikofer heftige Kritik an der Regierung. Schwarz-grünen Konstellationen erteilten sie eine Absage: Inhaltlich sei die "Union auf dem Weg zur Maximaldistanz", sagte Claudia Roth, insbesondere bei Umwelt- und Klimaschutzpolitik.

Die Grünen sind zum Beginn ihres Parteitags in Köln auf Distanz zur Union gegangen. Parteichefin Claudia Roth erteilte schwarz-grünen Gedankenspielen eine Absage. Mit scharfen Worten kritisierte sie die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Angesichts der Atompolitik der Union "sehe ich keine Annäherung der Schwarzen an uns, sehe ich keine neue Äquidistanz" der Grünen zu Union und SPD, sagte Roth. Parteichef Reinhard Bütikofer betonte: "Wir kämpfen um Inhalte." Über Koalitionen rede man, wenn sie anstehen.

"Wir haben ein klares Profil"

Roth erinnerte an das auf dem Parteitag vor einem Jahr beschlossene Prinzip "Inhalte vor Macht". Zwar gebe es "keine Denkverbote", doch diskutierten die Grünen mit denen, mit denen es inhaltliche Übereinstimmung und nicht nur numerische Mehrheiten gebe, betonte sie. "Wir bieten uns nicht an wie Sauerbier. Wir werden stärker, und dann werden andere sich auf uns zubewegen müssen", betonte sie selbstbewusst. Auch Bütikofer sagte: "Wir sind kein Anhängsel. Wir haben ein klares Profil."

Grünen möchten wieder drittstärkste politische Kraft sein

Ein Jahr nach ihrem Wechsel in die Opposition haben die Grünen das Ziel ausgegeben, FDP und Linkspartei in der Wählergunst wieder zu überholen. "Wir wollen die dritte politische Kraft in diesem Land werden - und das ist zu schaffen", sagte Parteivorsitzende Claudia Roth.

Roth schwor die Delegierten mit Blick auf künftige Wahlen darauf ein, die Inhalte vor die Machtfragen und Spekulationen über neue Koalitionen zu stellen. "Wir wollen Macht, aber nicht um der Macht willen, sondern wir wollen dieses Land besser, viel besser regieren."

Roth bescheinigte CSU-Chef Edmund Stoiber, durch seine "Hasstiraden" gegen Flüchtlinge das politische Koordinatensystem nach rechts zu verschieben. "Dieser Typ ist eine Schande für jede Partei, die sich demokratisch nennt."

Momentan sei die "Union auf dem Weg zur Maximaldistanz", stellte Roth im Hinblick auf die Umwelt- und Klimaschutzpolitik der Regierungspartei fest. Klimaschutz durch Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke herstellen zu wollen sei eine Politik der Gegenwartsblindheit. Merkel warf sie vor, mit ihrer Politik ins Abseits geraten zu sein. Auch CSU-Generalsekretär Markus Söder griff Roth an. Er schwadroniere von einer Öko-CSU, um so der Atompartei Numero Eins ein Öko-Feigenblatt umzuhängen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

"Wir brauchen eine neue Radikalität in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik"

Bütikofer warf Merkel vor, "zur Klimapolitik nur Phrasen" zu dreschen. Sie habe keinen einzigen konkreten Vorschlag außer dem, die Atomkraftwerke weiter laufen zu lassen. Vor dem Parteitag hatten sich auch einige andere Spitzenpolitiker von der Union distanziert. Die Grünen wollen sich in Köln auf ihre Wurzeln rückbesinnen und sich als einzige echte Ökopartei ins Licht rücken. "Grüner ist besser" lautet das Motto der Konferenz, zu der rund 500 Delegierte angereist waren.

"Wir brauchen eine neue Radikalität in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik", sagte Roth unter Verweis auf die Erderwärmung. Das Thema Klimaschutz sollte am Samstag im Mittelpunkt stehen. Es wurden allerdings kontroverse Debatten erwartet. Während die Parteispitze für eine moderate Senkung der Treibhausgasemissionen eintritt, fordern andere Delegierte eine Nullemissionspolitik. Im Rahmen des Umweltschutzes gibt es auch einen Antrag, ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen einzuführen.

Wiederwahl von Roth und Bütikofer erwartet

Am Samstag stand auch die Neuwahl von Bundesvorstand und Parteirat an. Unangefochten gehen die Parteivorsitzenden Roth und Bütikofer in die Wahl. Gegen Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke tritt die Berliner Landesgeschäftsführerin Kirsten Böttner an. Die Herausforderin gilt allerdings als chancenlos. Darüber hinaus geht es um Sozialpolitik, die bevorstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft sowie die Entwicklung in Afghanistan. In diesem Zusammenhang soll eine Kommission eingerichtet werden, die die Außen- und Sicherheitspolitik während der rot-grünen Regierungsjahre auf den Prüfstand stellt.

Außerdem stimmen die Grünen am Freitagabend über das neue Logo ab - eine modernere Variante des Sonnenblumenemblems mit einem schlanken Schriftzug. Unmut wurde von ostdeutschen Delegierten geäußert, die für den Namensteil "Bündnis90" die gleiche Schriftgröße verlangen wie für "Die Grünen".

AP
Claudia Kemmer/AP