Hamburg CDU nach Rücktritten von Freytag und Röder in der Krise

Der ohnehin beträchtliche Problemberg von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust ist weiter gewachsen. Innerhalb von zwei Wochen sind erst der Präsident der Hamburger Bürgerschaft, Berndt Röder, und jetzt Finanzsenator Michael Freytag zurückgetreten.

Die große Mehrheit hatte keinen blassen Schimmer: Lachend, plaudernd, gut gelaunt schlenderten 500 Mitglieder der Hamburger CDU am Montagabend in den von Kronleuchtern erhellten Saal. Kurz nach 18.00 Uhr trat ihr Landesvorsitzender, Finanzsenator Michael Freytag, auf die Bühne, um nach zwei Jahren schwarz-grüner Regierung eine Halbzeit-Bilanz zu ziehen. Mitten in der Rede dann sprengte dieser Satz die Harmonie: "Sie sollen es als Erste erfahren." Er werde von seinen Ämtern zurücktreten und in die Wirtschaft wechseln.

Es ist der zweite Abgang eines CDU-Spitzenmanns in Hamburg innerhalb von zwei Wochen. Der Präsident der Hamburger Bürgerschaft, Berndt Röder, war im Februar von dem Amt zurückgetreten, weil seine winzige Wohnstraße auf seine Anordnung hin als Einzige in der Nachbarschaft von Schnee geräumt worden war. Am Morgen nach dem Rückzug des Finanzsenators Freytag nun spricht die Opposition bereits von Zerfallserscheinungen im schwarz-grünen Senat. Der SPD-Landesvorsitzende und frühere Bundesarbeitsminister Olaf Scholz sagte dem NDR: "Das HSH-Nordbank-Desaster ist angerichtet vom Bürgermeister Ole von Beust und dem gesamten Senat. Das gilt auch für die ganzen aus dem Ruder laufenden Kosten etwa am Beispiel der Elbphilharmonie."

In der Tat nannte Freytag diese Turbulenzen als Grund für seinen Rücktritt: Die Neuverschuldung in Hamburg hat ein Rekordhoch erreicht. Bis zum Jahr 2013 öffnet sich eine Haushaltsloch von mehr als sechs Milliarden Euro. Allein für die Rettung der HSH-Nordbank musste sich Hamburg 1,5 Milliarden Euro leihen, weitere 100 Millionen Euro, um bei der ebenfalls angeschlagenen Großreederei Hapag-Lloyd einzusteigen. Unter Beschuss steht der Senat zudem wegen des Baus der Elbphilharmonie, deren Kosten sich auf 323 Millionen Euro verdreifacht haben.

Solche Herausforderungen habe es für einen Finanzsenator noch nicht gegeben, sagte Freytag vor den CDU-Mitgliedern. "Mit brutaler Kritik wurde ich an den Pranger genagelt." Er habe in seinen 20 Monaten Amtszeit herhalten müssen für die Folgen der Finanzkrise in der Hansestadt.

Mit dem Rücktritt seines Finanzsenators ist der ohnehin schon beträchtliche Problemberg von Ole von Beust noch weiter angewachsen. Der frühere Hoffnungsträger und Kronprinz des Bürgermeisters hatte die Kritik wegen der Beinahe-Pleite der Landesbank bisher wie ein Schutzschirm abgefangen. Jetzt stürmt die Opposition mit ihren Vorwürfen ungebremst auf von Beust zu. Dieser habe schon vor der Bürgerschaftswahl im Jahr 2008 von den Vorgängen in der Bank gewusst, es aber wegen des Wahlkampfs verschwiegen. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss dazu läuft. Aber das ist nur eine Komponente, die sich in das Stimmungsbild der Hamburger Bürger einfügt. Den jüngsten Umfragen zufolge hat die CDU seit der Wahl vor zwei Jahren 11,6 Prozent eingebüßt und steht jetzt bei 31 Prozent. Eine ausschlaggebende Größe für dieses Negativ-Ergebnis dürfte vor allem die hart umkämpfte Schulreform der schwarz-grünen Landesregierung sein.

Zwar hat von Beust für die Verlängerung der Grundschulzeit von vier auf sechs Jahre in der Hamburger Bürgerschaft ausnahmsweise die Zustimmung aller Fraktionen, allerdings formiert sich eine starke außerparlamentarische Opposition, die dem CDU-Bürgermeister empfindlich schaden könnte. Die Befürworter des Gymnasiums nämlich entstammen mehrheitlich dem bürgerlichen Lager und zählen vor allem zum Stammpublikum der Union. Gegen die Schulreform hat die Initiative "Wir wollen lernen" weitaus mehr Unterschriften für einen Volksentscheid gesammelt als nötig. Vermittlungsversuche zwischen Senat und Reformgegner sind gescheitert.

Dem Bürgermeister und seiner Regierung steht daher ein heißer Sommer bevor mit einem monatelangem Wahlkampf, wenn es im Juli zum Volksentscheid kommt. Sollten sich die Bürger bei der Abstimmung gegen die Schulreform aussprechen, will von Beust nicht von seinem Amt als Bürgermeister zurücktreten, hatte er neulich gesagt. "In einem Volksentscheid geht es um eine Sachfrage", betonte er. Dennoch dürften viele in Hamburg die Abstimmung als vorgezogene Neuwahl verstehen.

APN
Zacharias Zacharakis, APN

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