Nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg sind insbesondere AfD und FDP zunächst zum Warten verdammt. Dass die Antwort auf die Frage, ob sie es erneut in das Landesparlament schaffen, so lange offen bleibt, hängt mit dem Wahlsystem in der Hansestadt zusammen, das einige Besonderheiten aufweist.
Die Besonderheiten der Hamburg-Wahl
Wählen ab 16 Jahren. Mitbestimmen dürfen in Hamburg bei Bürgerschaftswahlen alle Staatsbürger im Alter ab 16 Jahren. Die Hansestadt senkte das Wahlalter 2013 als drittes Bundesland nach Bremen und Brandenburg um zwei Jahre ab, um Jugendliche stärker an der Politik zu beteiligen. Kurz danach kam Schleswig-Holstein als viertes dazu. Die Neuerung griff in Hamburg erstmals bei der Wahl 2015. Wählbar sind allerdings auch hier weiterhin nur Menschen im Alter ab 18 Jahren.
Einmaliges Wahlrecht mit zehn Stimmen. In Hamburg gilt seit der Bürgerschaftswahl von 2011 ein vergleichsweise komplexes Wahlsystem, bei dem Erst- und Zweitstimme in jeweils fünf Einzelstimmen aufgespalten sind und völlig frei verteilt werden können. Dies soll den Bürgern mehr Möglichkeiten für Gewichtungen und für individuelle Abwägungen bei der Wahlentscheidung geben. Unter den deutschen Bundesländern hat Hamburg damit ein Alleinstellungsmerkmal. Nur Bremen hat noch ein ähnliches System, in dem jeder Wähler bei Bürgerschaftswahlen fünf Stimmen hat. Bei Kommunalwahlen ist dieses Prinzip jedoch auch in anderen Bundesländern inzwischen längst etabliert.
Ein Hamburger Wähler kann seine fünf Teilzweitstimmen beliebig zwischen den Landeslisten der Parteien verteilen. Er kann sie gesammelt im Block an eine Liste geben und die von der Partei vorgegebene Reihenfolge der Kandidaten damit übernehmen - oder seine fünf Kreuze auf Kandidaten verteilen, um deren Chancen auf einen Einzug in die Bürgerschaft zu beeinflussen. Er kann seine fünf Kreuze auch bei unterschiedlichen Landeslisten setzen, also im Extremfall fünf verschiedene Parteien wählen.
Zwei(einhalb) Auszählungen und die Heilungsregel. Aus Zeitgründen beschränkten sich die Wahlhelfer in der Hansestadt am Sonntag daher zunächst darauf, die zweifelsfrei gültigen Stimmen auszuzählen, die über die Landeslisten auf dem einen oder anderen Weg an die Parteien verteilt wurden. Alles weitere wurde zunächst noch zurückgestellt. Das Ergebnis vom Sonntagabend, das von der Wahlleitung als "politisches Ergebnis" bezeichnet wird, hat dadurch einen vorläufigen Charakter. Die genauere Auszählung für das vorläufige amtliche Ergebnis erfolgt erst am Montag.
Veränderungen zur schnellen Vorabauszählung vom Sonntag können sich dabei unter anderem dadurch ergeben, dass im Zuge einer kompletten Neuauszählung aller Wahlzettel auch die potenziell ungültigen Zweifelsfälle noch einmal genau geprüft und gegebenenfalls gewertet werden. Das Hamburger Wahlrecht sieht eine entsprechende Kulanzbestimmung vor. Diese sogenannte Heilungsregel besagt, dass auch formal ungültige Stimmzettel berücksichtigt werden, sofern der dahinter stehende Wählerwille klar erkennbar ist. Macht ein Wähler etwa sechs statt der maximal erlaubten fünf Kreuze auf der Landesliste, aber alle bei einer Partei, wird angenommen, dass er sich schlichtweg verzählte. Zum anderen können sich Verschiebungen im Ergebnis auch dadurch ergeben, dass nun zusätzlich die Wahlkreislisten ausgezählt werden. Diese entsprechen der Erststimme und entscheiden darüber, welcher Abgeordnete per Direktmandat für welchen Wahlkreis künftig in der Bürgerschaft sitzt.
Keine Parallelen Kommunalwahlen mehr. Gewählt wird nur die Bürgerschaft. In Hamburg wird nicht - wie sonst oft üblich - in einer Kommunalwahl parallel auch über die Zusammensetzung der Bezirksversammlungen entschieden. Die Bezirkswahlen finden in der Hansestadt seit 2014 zeitgleich mit Europawahlen statt. Die jüngste war im Mai 2019. Dabei wurden die Grünen mit 31,1 Prozent zum ersten Mal bei einer Wahl in Hamburg stärkste Kraft.
Wählen nur noch alle fünf Jahre. Seit 2015 wird in der Hansestadt alle fünf Jahre ein neues Landesparlament gewählt. Mit der Umstellung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre war Hamburg vergleichsweise spät dran, in nahezu allen anderen Bundesländern war dies zu diesem Zeitpunkt schon üblich. Inzwischen hält nur noch Bremen an einer vierjährigen Legislaturperiode fest.