Hanau "Das Monster wacht auf, und Deutschland macht uns wieder Angst"

Menschen trauern am Abend in Hanau
Menschen trauern am Abend in Hanau
© Odd Andersen / AFP
International stieß der Anschlag von Hanau auf ein großes Echo, auch in den Medien. Fernsehsender berichteten, Zeitungen kommentierten – und fanden dabei deutliche Worte für die Situation in Deutschland und Europa. Die Pressestimmen aus dem Ausland.

Am Mittwochabend hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau aus mutmaßlich rechtsradikalen und rassistischen Motiven neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Später tötete er nach Überzeugung der Ermittler seine Mutter und sich selbst.

Die Ermittler gehen von einer "rassistischen Gesinnung" bei dem Sportschützen aus. Darauf deuten Videobotschaften und ein Pamphlet hin, die der Mann im Internet hinterlassen hat. Zwei Waffen besaß er laut der zuständigen Kreisbehörde legal. Viele Fragen sind noch offen, unter anderem, ob der Schütze psychisch krank war und an Wahnvorstellungen litt oder ob er möglicherweise Unterstützer hatte. Der Täter war in einem Frankfurter Schützenverein aktiv, ist dort nach Angaben des Vereins aber nie als ausländerfeindlich aufgefallen.

TV-Sender aus der ganzen Welt berichten

Der Anschlag von Hanau hat in Deutschland für Schock und Bestürzung gesorgt. Auch im Ausland war die Anteilnahme groß. Dort beschäftigte die offenbar rassistisch motivierte Gewalttat auch die Medien. Viele Nachrichtensendungen eröffneten ihr Programm mit den Bildern aus Hanau, Korrespondenten aus Europa und auch den USA waren vor Ort.

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Die Pressestimmen aus dem Ausland

Auch die Zeitungen und Kommentatoren in ganz Europa setzen sich mit dem Anschlag, seinen Hintergründen und der gesellschaftlichen sowie politischen Situation in Deutschland auseinander. Manche Zeitungen sehen einen Zusammenhang zwischen der Tat von Hanau, rechtsextrem motivierten Taten aus der Vergangenheit und der steigenden Zahl von Rechtsextremisten in Deutschland.

So schreibt die liberale Zeitung "Hospodarske noviny" aus Tschechien, dass sich der Anschlag von Hanau in eine Serie von anderen Attacken reihe, wie etwa den Anschlag von Halle oder das Attentat auf Walter Lübcke. "Jeden einzelnen Angriff könnte man als die Tat eines vereinsamten Einzeltäters interpretieren. Die nicht enden wollende Serie von Verbrechen weist indes in eine andere Richtung. Es genügt, sich die Statistiken des Bundeskriminalamts und des Verfassungsschutzes anzusehen. Demnach stieg die Zahl der Rechtsextremisten von 2018 bis 2019 von 24.000 auf rund 31.000, also innerhalb eines Jahres um ein Drittel. In einem solchen Umfeld wächst die Wahrscheinlichkeit, dass einer von ihnen vom Wort zur Tat schreitet."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auch die britische "Times" knüpft an diese Zahlen an und kritisiert dabei die Sicherheitsbehörden. Diese hätten den Rechtsextremismus zu lange unterschätzt. Deutschlands Sicherheitsapparat sei viele Jahre darauf ausgerichtet worden, "sich auf die vom islamistischen Terrorismus ausgehende Bedrohung zu konzentrieren." Kritiker würden argumentieren, dass die Behörden lange Zeit "zu selbstgefällig – oder gar vorsätzlich blind – auf das Aufkommen einer flexiblen, heterogenen und internationalisierten extremen Rechten" reagiert und es daher versäumt hätten, angemessene Ressourcen für deren Überwachung bereitzustellen.

"Feindseligkeit gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund immer weniger ein Tabu"

Dem schließt sich auch die italienische "Corriere della Sera" an: " Zu lange unterschätzt, zeigt das weite Spektrum der neonazistischen Ultrarechten so, dass diese eine diffuse Erzählung von Hass, Fremdenfeindlichkeit und Aufstachelung zur Gewalt geschaffen haben, die Früchte trägt und die Gruppen oder Einzelpersonen dazu bringt, blutige kriminelle Pläne wahr zu machen."

Viele andere Stimmen sehen das Problem aber nicht ausschließlich bei den Rechtsextremen, sondern auch in der Gesellschaft – sowohl in Deutschland als auch in Europa. Parallel zum Aufschwung der AfD gelte in der Mitte der deutschen Gesellschaft die Feindseligkeit gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund immer weniger als ein Tabu, schreibt das niederländische "NRC Handelsblad": "Das zeigt sich vor allem in einer unverblümt hasserfüllten Sprache – im Internet sowie bei politischen Versammlungen."  

Der "Tages-Anzeiger" aus der Schweiz meint, dass die Gefahr von rechts auch gewachsen sei, weil "rassistische Hetze in der Gesellschaft heute verbreiteter und sichtbarer ist als vermutlich jemals zuvor seit Bestehen der Bundesrepublik." Im Internet, bei Pegida, den Neuen Rechten, Reichsbürgern und auch bei manchem Politiker der AfD würden "rassistische Parolen laut, die nicht viel weniger aggressiv und menschenverachtend tönen als jene des rechten Terroristen von Hanau."

Eine junge Muslima spricht über den Anschlag in Hanau
So reagieren junge Menschen auf den Anschlag in Hanau
© stern-online
"Bin nicht überrascht" – so reagieren junge Menschen auf den Anschlag in Hanau

"Sperrgürtel zur Isolierung der AfD und ihresgleichen muss aufrechterhalten werden"

Die Zeitung "La Repubblica" aus Italien sieht das Problem in der Gesellschaft aber nicht nur in Deutschland: "Das Monster wacht auf, und Deutschland macht uns wieder Angst. Es macht uns noch mehr Angst, denn es sieht uns ähnlich. Seine soziale Krankheit ist unsere." Die Anbindung an die Europäische Union schüre das Wiederaufleben eines aggressiven Nationalismus in einer zerrissenen Gesellschaft, die sich in ihrem Wohlergehen bedroht fühle, so das Blatt.

In Großbritannien fordert ein Kommentator der Zeitung "The Guardian", dass man sich auch politisch weiter nach rechts abgrenzen müsse – und hat dabei die CDU im Blick. Der Sperrgürtel zur Isolierung der AfD und ihresgleichen müsse aufrechterhalten werden: "Während die erfolgreichste Partei der Nachkriegsära in Deutschland über ihre künftige politische Richtung nachdenkt, sollten die Ereignisse von Hanau all jenen stark zu denken geben, die versuchen möchten, die äußerste Rechte zu zähmen, einzubinden oder zu imitieren."

DPA · AFP
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