Herr Professor Steinbach, auf der Islam-Konferenz soll das Zusammenleben unterschiedlicher religiöser Gruppen in einem westlichen Rechtstaat diskutiert werden. Was soll das bringen?
Muslime müssen begreifen, dass unsere Verfassung einen großen Spielraum lässt: Zum einen als Moslem eine eigene Lebenskultur zu haben und sich zugleich zu integrieren. Es muss sich so etwas wie ein europäischer Islam entwickeln.
Hat die Absetzung der Mozart-Oper "Idomeneo" an der Deutschen Oper Berlin der Konferenz nicht dramatisch geschadet?
Nein, das zeigt einfach nur, wie wichtig eine solche Konferenz ist. Die Absage der Mozart-Oper halte ich für eine Kurzschlussreaktion der Intendantin Kirsten Harms - die tatsächlich geneigt scheint, den Islam in Zusammenhang mit Gewalt zu bringen. Umso wichtiger ist es, dass wir endlich miteinander reden.
Zur Person:
Professor Udo Steinbach, 63, Philologe und Islamwissenschaftler, ist seit 1973 Direktor Deutschen Orient-Instituts (GIGA) in Hamburg. Er forscht zum politischen und gesellschaftlichen Wandel in arabischen Ländern, der Türkei und Iran sowie den Erscheinungsformen des politischen Islam.
Sie werfen Harms vor, Panikmache zu betreiben ?
Ich glaube, dass sie derart verunsichert ist, über das, was sich in den letzten Jahren abgespielt hat an tatsächlicher Gewaltanwendung und Androhung von Gewalt, dass sie von einer tatsächlichen Bedrohung überzeugt war. Aber es war es in jedem Fall eine Überreaktion, die in der Öffentlichkeit hoffentlich weithin negativ wahrgenommen wird. Ich hoffe, dass dieses Ereignis möglichst schnell vergessen wird.
Was kann die Konferenz dazu beitragen, die Situation zu entspannen?
Die Konferenz bietet den Muslimen eine Möglichkeit, sich mit ihrer Außenwirkung auseinanderzusetzen. Man könnte auch darüber reden, wie sich die Muslime einbringen können in unser gesellschaftliches Leben, so, wie auch beispielsweise die katholische Kirche sich einbringt. Immerhin ist der Islam mit rund drei Millionen Gläubigen in Deutschland vertreten.
Die Islam-Konferenz
... wurde von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble initiiert und findet im Berliner Schloss Charlottenburg statt. An der Konferenz nehmen 30 Vertreter deutscher Behörden sowie aller großen moslemischen Organisationen teil. Zu den Themen gehören: Islamunterricht, Gleichberechtigung der Geschlechter, Moscheenbau und Sicherheitsfragen. Zweck der Veranstaltung ist es, den Dialog mit den Muslimen in Deutschland und deren Integration zu fördern. In den kommenden zwei bis drei Jahren soll die Konferenz halbjährlich fortgesetzt werden. In Deutschland leben über drei Millionen Muslime.
Eines der Probleme ist, dass es keinen zentralen Ansprechpartner gibt, der die Muslime in Deutschland vertritt. Wie lässt sich das ändern?
Es gibt im Islam keine Kirche, es gibt keine Hierarchie, die verbindlich das Gotteswort auslegt. Stattdessen gibt es eine Vielzahl von Interpretationen, die sich um Persönlichkeiten oder Schulen gruppieren - denken Sie an die vielen Ayatollahs, die allesamt den Koran auf eine andere Weise auslegen können. Und entsprechend gibt es eine Vielzahl von Haltungen bei den islamischen Gläubigen, auch in Deutschland. Die moslemische Seite spürt das Defizit dieser Vielstimmigkeit und wenn nun der Staat die Hand reicht, wird es den Muslimen vielleicht auch leichter, sich selbst zu organisieren.
Im Vorfeld haben vier muslimische Spitzenverbände das Konzept der Konferenz und die Auswahl der geladenen Teilnehmer kritisiert...
… dieser Kritik werden sie nie ausweichen können. Ganz gewiss kann man sich fragen, warum einzelne Referenten eingeladen wurden. Das ganze ist ja auch nicht als einmalige Veranstaltung gedacht, sondern als langer Prozess.
Es gibt auch den Vorwurf, Innenminister Schäuble wolle die Konferenz nutzen, um moslemische Verbände in den Anti-Terror-Kampf einzubinden und somit zu instrumentalisieren. Ist diese Kritik berechtigt?
An diesem Punkt muss Schäuble die eingeladenen Muslime vermutlich gar nicht instrumentalisieren, sondern es liegt in ihrem eigenen Interesse, gegen Gewalt vorzugehen.
Radikale Moslems im arabischen Raum würden das vermutlich anders sehen.
Europäische Muslime haben Prozesse vollzogen, die sich in der übrigen islamischen Welt so noch nicht vollzogen haben. Das wurde auch in der jüngsten Kontroverse um den Papst wieder sehr deutlich. Die hier lebenden Muslime haben sich zwar auch befremdet gezeigt vom Papst-Zitat, aber sie haben zugleich jede gewalttätige Reaktion verurteilt.
Welches Signal soll von der Konferenz ausgehen?
Den Muslimen wird gezeigt, dass sie tatsächlich gewollt sind in dieser Gesellschaft. Nach dem, was sie alles nach dem 11. September erlebt haben an schlechter öffentlicher Meinung, an Maßnahmen, die auch die Behörden ergriffen haben, ist eine gewisse Kluft entstanden. Die moslemische Seite hat das als Ablehnung aufgefasst, als generelles Misstrauen. Der Dialog, der ihnen jetzt angeboten wird, sollte die Integrationsbereitschaft fördern.
Selbst wenn die Integration Fortschritte machen sollte - rückt Deutschland nicht trotzdem in den Fokus von gewaltbereiten Islamisten?
Es gibt immer mehr Muslime, die den Westen hassen. Dass sich dieser Hass in Einzelfällen auf die islamischen Gemeinden in Europa überträgt, ist ein fast zwangsläufiger Mechanismus. Die britischen Muslime haben vor einigen Wochen sehr zu recht erklärt, dass die britische Außenpolitik im nahen Osten zur Radikalisierung bestimmter Kreise der britischen Muslime beigetragen habe. Nun gehen die Deutschen ja außenpolitisch nicht so weit wie die Briten. Aber derzeit wir haben ja zum Beispiel auch Schiffe vor dem Libanon und in Einzelfällen könnte auch im Nahen Osten Hass geschürt werden. Dass diese Saat in Einzelfällen auch bei uns aufzugehen droht, das glaube ich schon.