Kabinettsumbildung in Thüringen Rechtslastiger Kandidat wirft hin

  • von Lars Radau
Die Empörung hat Wirkung gezeigt. Der wegen seiner publizistischen Vergangenheit bei rechten Publikationen in die Kritik geratene Thüringer CDU-Landtagsabgeordnete Peter Krause hat seine Kandidatur für den Posten des Kultusministers zurückgezogen.

Das Ende war kurz und larmoyant: In einer nur wenige Zeilen umfassenden Pressemitteilung verkündete der Thüringer Landtagsabgeordnete Peter Krause am Vormittag in Erfurt, dass er auf das Amt des Kultusministers im Freistaat verzichten werde. Die "heftigen Auseinandersetzungen" der vergangenen Tage ließen "keine sachliche Verteidigung" mehr zu, klagte Krause. "Ich sehe keine Möglichkeit, das sensible Amt in angemessener Sachlichkeit erfolgreich ausüben zu können." Seit geraumer Zeit hatte es in der Erfurter Staatskanzlei gebrodelt. Der 44-jährige promovierte Literaturwissenschaftler, der am Donnerstag von Ministerpräsident Dieter Althaus zum Kultusminister ernannt werden sollte, war wegen seiner publizistischen Vergangenheit unter Beschuss geraten. Kritiker wie der Chef der oppositionellen SPD, Christoph Matschie, werfen ihm vor, sich in der "Grauzone der extremen Rechten" bewegt zu haben.

Image-Fiasko für Althaus

Während hinter den Türen der Regierungszentrale des Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) Krisenmanagement betrieben wurde, bleiben die Reihen nach außen geschlossen. Selbstverständlich, hatte Regierungssprecher Fried Dahmen noch am Wochenende betont, werde Althaus an seiner Absicht festhalten, Krause zum neuen Kultusminister des Freistaats zu machen. Schließlich habe der sich "klar und deutlich von seiner publizistischen Vergangenheit distanziert." Eben diese hatte nicht nur Krause, sondern auch dem Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Althaus seit gut zwei Wochen reichlich Negativ-Schlagzeilen und Diskussionen beschert - bis der Geduldsfaden nun offenbar riß. Mit Krauses Rückzug wird indes die 16 Monate vor der nächsten Landtagswahl eigentlich als Aufbruchssignal und Befreiungsschlag gedachte Kabinettsumbildung - Althaus besetzte gleich sechs Ministerposten neu - endgültig zum unkontrollierbaren Image-Fiasko.

Denn dass Krause vor zehn Jahren für einige Monate als Redakteur der in Berlin erscheinenden Wochenzeitung "Junge Freiheit" gearbeitet hat, ist schon länger bekannt. Kritiker werfen dem Blatt und seinen Machern vor, bis heute ein Scharnier zwischen demokratischem Konservatismus und der extremen Rechten zu sein. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die die "Junge Freiheit" selbst erwirkt hatte, darf das Blatt aber nicht rechtsextrem oder rechtsradikal genannt werden.

Beinahe täglich aber hatte Hobbyboxer Krause, der dem Weimarer Box-Verein vorsteht, sich und seinem Ministerpräsidenten seit Tagen weitere Tiefschläge beschert. Zunächst verteidigte er seinen Redakteurs-Job damit, dass die "Junge Freiheit" ja ein "anerkanntes Medium in der Presselandschaft" sei. Später räumte er, deutlich kleinlauter, eine gewisse "Naivität" ein, das Umfeld der "Jungen Freiheit" vor seinem Arbeitsantritt nicht genauer überprüft zu haben. Um dann, fast im gleichen Atemzug, nachzuschieben, dass schon nach vier Monaten als Ressortleiter "Hintergrund und Gespräch" eine "weitere Zusammenarbeit aus inhaltlichen Gründen von beiden Seiten als grundsätzlich unmöglich" angesehen und sein Arbeitsvertrag aufgelöst worden sei.

Autor auch für "Ostpreußenblatt"

Gleichzeitig aber förderten und fördern Krause-Kritiker immer neue Details und Zitate ans Licht, die die Debatte, wie weit rechts er steht, weiter anheizen. Dass Krause auch nach seinem Abgang als Redakteur weiter als freier Autor für die "Junge Freiheit" arbeitete, gilt dabei fast noch als Petitesse. Denn ausgerechnet der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel enthüllte in einer Pressemitteilung, dass Krause zudem auch als Autor im revisionistischen "Ostpreußenblatt" und der damals von einem Ex-Republikaner herausgegebenen, rechtsgerichteten Zeitschrift "Etappe" in Erscheinung getreten war.

In der von Gansel ans Licht gezerrten Etappe-Ausgabe, in der Krause zwei lange Texte über den Historiker Ernst Nolte und den Anti-Universalisten Panajotis Kondylis schrieb, findet sich auch eine lateinische Übersetzung des Horst-Wessel-Liedes - die verbotene Hymne der NSDAP. Das, sagte Krause bei einem seiner zahlreichen Rechtfertigungsversuche der "Thüringischen Landeszeitung" (TLZ), sei eine "Anspielung auf die Unbildung bestimmter Leute", Satire also. Zudem, so Krause im Interview, finde er die Texte, "die ich da geschrieben habe, (…) wirklich gut, auch wenn sie nicht viele verstehen." Überhaupt: Man solle doch bitte einmal seine Texte lesen, bevor man ihn als rechtsextrem tituliere, sagte Krause im Deutschlandradio Kultur.

Dieser Aufforderung folgte die linke Berliner "Tageszeitung" (taz) am Wochenende prompt - und legte in der Causa Krause nach. Das Blatt zitiert einen Aufsatz Krauses aus dem Jahr 2003. Sein Titel: "Hätte ein Redner wie Hitler heute Erfolg?". Darin, so die taz, bescheinige Krause dem Nationalsozialismus in verschiedenen Bereichen "partielle oder sogar forcierte Modernität". Auch einige andere Passagen, so das Blatt, dürften zumindest "neue Fragen aufwerfen". So schreibe Krause etwa: "Die argumentative Kraft der nationalsozialistischen Reden muss zur Kenntnis genommen werden, will man das Phänomen verstehen. Es gab Gründe, die NSDAP zu wählen." Zudem, wird Krause weiter zitiert, liege es nahe, "vor allem Hitlers Reden während der demokratischen Weimarer Republik auf ihre Aktualität hin zu befragen".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Krause selbst, der vor seiner Wahl in den Thüringer Landtag 2004 als Referent für die DDR-Bürgerrechtlerin und CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld gearbeitet hatte, betont, er sei "alles andere als ein strammer Rechter" und beklagt sich, dass er nun "anhand von ein paar aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten" an den Prager gestellt werde. Auf diese Lesart hat man sich offenbar in der Erfurter Staatskanzlei eingeschworen: Ministerpräsident Dieter Althaus hatte von einer "Kampagne der Opposition" gesprochen, deren Opfer Krause sei. Auch dessen Amtsvorgänger, Ex-Ministerpräsident Bernhard Vogel, war Krause beigesprungen: Der "bemerkenswerte junge Mann" habe sich ja schließlich von der Arbeit für die "Junge Freiheit" distanziert. Ihm daraus einen Strick zu drehen, so Vogel, finde er falsch. "Hätte er stattdessen im ‚Neuen Deutschland' geschrieben, wäre das kaum erwähnt worden."

Trotz allen demonstrativen Beistandes: Die Kritiker Krauses waren entsetzt. Zwar hat der 44-Jährige in seiner Heimatstadt Weimar aus seiner Stadtratszeit durchaus einen guten Ruf als Kulturpolitiker, der sich für die Theater-Szene der Klassiker-Stadt engagierte. Aber als Thüringens Kultusminister wäre Krause qua Amt zugleich auch Stiftungsratsvorsitzender der KZ-Gedenkstätte Buchenwald vor den Toren der Stadt. Der Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge, betont daher, dass es für die international hoch angesehene Stiftung Buchenwald von "außerordentlicher Bedeutung" sei, dass "sie einen über jeden Zweifel erhabenen Stiftungsratsvorsitzenden hat". Er warf Krause in der "Welt am Sonntag" vor, dieser habe zu lange "seine Vergangenheit weich gespült und vernebelt" und sich erst nach starkem öffentlichen Druck zu einer Selbstdistanzierung durchringen können.

Bereits zuvor hatte der Zentralrat der Juden in Deutschland Dieter Althaus aufgefordert, Krauses Nominierung zurückzuziehen. Und der thüringische Lehrerverband zielt mit seiner Kritik inzwischen direkt auf den Ministerpräsidenten: Dessen Vorsitzender Rolf Busch betonte, der Verband könne nicht nachvollziehen, warum Althaus jemanden für das Amt des Kultusministers ausgewählt habe, "bei dem Zweifel an seiner politischen Gesinnung vorprogrammiert sind". Dies sei ein "Armutszeugnis" für Althaus.