Mit dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sollte Deutschland grüner und nachhaltiger wirtschaften. Und das auch noch unter Einhaltung der Schuldenbremse. Das war zumindest der Plan von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der das Sondervermögen erst im vergangenen Jahr dafür neu aufsetzte – und vor allem: mit ungenutzten Krediten aus der Coronakrise auffüllte. Allein dadurch wuchs der Topf um 60 Milliarden Euro. Und weil es sich beim KTF um ein Sondervermögen handelt, das nicht der Schuldenbremse angerechnet wird, konnte Bundesfinanzminister Christian Lindner seinen Haushalt drumherum planen. Praktisch. Eine Schwarze Null trotz neuer Schulden.
Am Mittwoch wurden dieser Praxis allerdings starke Fesseln angelegt. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass die Umwidmung von Corona- in Klimakredite verfassungswidrig sei. Die 60 Milliarden Euro aus der Coronakrise hätten also nicht in den KTF gelenkt werden dürfen. Geklagt hatten 197 Abgeordnete der Unionsfraktion, für die die Umwidmung nichts als ein "Taschenspielertrick" war.
Das Urteil könnte für die Ampel zur Zerreißprobe werden. Denn auf einen Schlag fehlen in der Haushaltsplanung nun 60 Milliarden. Der neue Bundeshaushalt dürfte damit an diesem Donnerstag nicht wie geplant verabschiedet werden können. Die Ampel muss sich nun entscheiden: Entweder sie erhöht Steuern und Abgaben, oder sie kürzt die Mittel für Klimainvestitionen. Wahrscheinlich wird die Entscheidung zunächst auf Punkt zwei hinauslaufen, denn das ist der kurzfristig leichtere Hebel. Fest steht aber schon jetzt, dass der KTF massiv umgebaut werden muss.
Klima- und Transformationsfonds frisch beschlossen
Erst im August hatte das Kabinett – also auch Finanzminister Lindner – den Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds für 2024 beschlossen. Demnach sollen im kommenden Jahr insgesamt 57,6 Milliarden Euro aus dem Fonds fließen. Der Löwenanteil von 47,4 Milliarden entfällt auf Vorhaben aus dem Habeck-Ministerium. Bis 2027 sollen laut ebenfalls schon beschlossenem Finanzplan aus dem Fonds insgesamt knapp 212 Milliarden Euro ausgegeben werden. Dazu zählen diese Vorhaben:
- Fast 19 Milliarden Euro sollen in die Förderung für effiziente Gebäude inklusive der sozialen Abfederung des neuen Heizungsgesetzes fließen.
- 12,6 Milliarden Euro in die Finanzierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (Einspeisevergütungen).
- Über 4 Milliarden Euro für Transformationsprogramme in der Mikroelektronik (Förderung des neuen Chip-Werks von Intel).
- Rund 3,7 Milliarden Euro für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, H2Global und die Dekarbonisierung der Industrie.
- Rund 2,6 Milliarden Euro für die Strompreiskompensation zur Entlastung der Unternehmen von Kosten des EU-Emissionshandels.
- Rund 1,6 Milliarden Euro für die Förderung der Elektromobilität inklusive der Batteriezellfertigung.
- Rund 850 Millionen Euro für Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe.
- Rund 800 Millionen Euro zur Transformation der Wärmenetze.
Erst kürzlich kamen weitere zehn Milliarden hinzu, mit denen die Wirtschaft in den kommenden fünf Jahren beim Strompreis entlastet werden soll – zunächst mit Mitteln aus dem KTF. Welche Projekte jetzt akut bedroht sind, weil die Finanzierung wegzubrechen droht, ist offen.
Finanzierung trotz Bundesverfassungsgericht sicher
Der KTF an sich ist wohl nicht gefährdet. Das liegt vor allem an seiner Finanzierung, die auch abseits der umgewidmeten Corona-Kredite gesichert ist. Der Fonds wurde bereits 2010 unter der Bezeichnung "Energie- und Klimafonds" errichtet und erst in dieser Legislatur zum "Klima- und Transformationsfonds" umbenannt. Die meiste Zeit erhielt er seine Mittel aus dem Emissionshandel und Bundeszuschüssen. Damit unterscheidet er sich auch (heute noch) maßgeblich von normalen Posten im Bundeshaushalts, da er aus Einnahmen und nicht aus Steuermitteln gespeist wird. Bis zu 20 Prozent des KTF-Wirtschaftsplans können allerdings auch Darlehen sein. Einnahmen und Ausgaben müssen sich dabei immer ausgleichen.
2024 etwa sollen fast 20 Milliarden Euro, und damit ein Fünftel des KTF-Wirtschaftsplans, aus dem Emissionshandel und CO₂-Zertifikaten stammen, dazu noch 9,3 Milliarden Euro aus globalen Mehreinnahmen des Bundes. Diese sind allerdings keineswegs sicher – der Bund antizipiert nur, dass beispielsweise die CO₂-Preise steigen und dadurch Mehreinnahmen entstehen. Die größte Einnahmeseite sind Rücklagen in Höhe von 70,7 Milliarden Euro, wozu etwa die 60 Milliarden-Umwidmung aus Coronazeiten gehört. Diese Rücklagen sinken nun auf einen Schlag um diesen Betrag und machen die Finanzierung der Ausgaben deutlich komplizierter.
Wie groß die unmittelbare Finanzierungslücke 2024 für den KTF ist, lässt sich nur schwer schätzen. Eine vereinfachte Rechnung, sichere Einnahmen (ohne Rücklage) abzüglich Programmausgaben, greift zu kurz. Zum einen, weil die globalen Mehreinnahmen unsicher sind. Zum anderen, weil die aktuelle Rücklage abzüglich der 60 Milliarden unklar ist. Greift man hierfür auf die letzte ausgewiesene Rücklage des alten Energie- und Klimafonds aus dem Jahr 2021 zurück, beträgt sie rund 9,2 Milliarden Euro. Angenommen, die globalen Mehreinnahmen lägen tatsächlich bei 9,3 Milliarden Euro, ergibt sich im KTF ein Delta für 2024 von 19,9 Milliarden Euro. Wie dieses geschlossen werden soll? Ebenfalls unklar. In einer ersten Reaktion verhängte die Bundesregierung am Mittwoch notgedrungen einen Ausgabenstopp.

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