Was sich lange angedeutet hatte und doch viele nicht für möglich halten wollten, ist eingetreten: Russland hat die Ukraine angegriffen, es herrscht wieder Krieg in Europa. Der Westen reagierte erschüttert, Staats- und Regierungschefs verurteilten das Vorgehen von Russlands Präsident Wladimir Putin aufs Schärfste. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was der Westen und insbesondere Europa der russischen Aggression entgegenzusetzen haben.
Annegret Kramp-Karrenbauer, frühere CDU-Vorsitzende und von 2019 bis 2021 Bundesverteidigungsministerin, geht mit der deutschen Russland-Politik hart ins Gericht. "Ich bin so wütend auf uns, weil wir historisch versagt haben", schreibt die 59-Jährige auf Twitter. Man habe "nach Georgien, Krim und Donbass nichts vorbereitet, was Putin wirklich abgeschreckt hätte".
Krieg in der Ukraine ist nicht die erste russische Aggression
Im Streit um die Kleinrepubliken Südossetien und Abchasien, die sich von Georgien unabhängig erklärt hatten, hatte Russland im Sommer 2008 Luftangriffe auf die georgische Hauptstadt Tiflis geflogen. 2014 annektierte Putin völkerrechtswidrig die ukrainische Halbinsel Krim. In dieser Woche schließlich hatte der russische Präsident die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk im Donbass als eigenständige Staaten anerkannt.

Währenddessen hatten westliche Politiker wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder Bundeskanzler Olaf Scholz in Gesprächen versucht, Putin von einer weiteren Eskalation der Lage abzuhalten. Die westliche Diplomatie erweist sich nunmehr als krachend gescheitert, was auch den Bedeutungsverlust Europas und Deutschlands in der Welt unterstreicht.
Der zweite Tag des Krieges: Tod und Zerstörung in den Straßen Kiews

Kramp-Karrenbauer mit selbstkritischen Worten
Das muss auch Annegret Kramp-Karrenbauer feststellen: "Wir haben die Lehre von Schmidt und Kohl vergessen, dass Verhandlungen immer den Vorrang haben, aber man militärisch so stark sein muss, dass Nichtverhandeln für die andere Seite keine Option sein kann." Dies ist bei Nato und Bundeswehr offenbar nicht der Fall – zumindest nicht in einem Maße, das Wladimir Putin beeindrucken würde. Kramp-Karrenbauer, die zweieinhalb Jahre lang als Bundesverteidigungsministerin für die deutsche Armee zuständig war, findet damit ungewöhnlich selbstkritische Worte.
Ähnlich äußerte sich auch der Inspekteur des Deutschen Heeres, Generalleutnant Alfons Mais. "Die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da", schrieb er auf LinkedIn. "Die Optionen, die wir der Politik zur Unterstützung des Bündnisses anbieten können, sind extrem limitiert."