Die Woche vor den Sommerferien. Erinnern Sie sich? Wandertage, Filme gucken, Sportfest – so ungefähr sah das in der Schulzeit aus. Nun ja, in Berlin ist das anders. Also nicht an Berliner Schulen, sehr wohl aber im Politikbetrieb.
Familienministerin Lisa Paus vergleicht die Tage bei einem Gespräch am Montagnachmittag mit der letzten Woche vor dem Notenschluss. Sie wissen schon: besonders fleißig melden, Referat halten und unbedingt die Hausaufgaben dabeihaben, damit es am Ende doch noch für die bessere Note reicht. Bei der Koalition, so würden manche sagen, geht es gerade eher um die Versetzung als um die 1 mit Sternchen.
Zwei Themen sind für die Bundesregierung in dieser Woche besonders wichtig: Das Heizungsgesetz, das in diesem Artikel ausnahmsweise mal ausgeklammert wird. Und der Haushalt für 2024, dem die Bundesregierung in dieser Woche noch zustimmen will. Der wiederum betrifft Lisa Paus gleich zweimal.
Wie Kindergrundsicherung und Haushalt zusammenhängen
Der grüne Führungszirkel aus Fraktionsvorsitzenden, Parteivorsitzenden und den zwei wichtigsten Ministern Annalena Baerbock und Robert Habeck hatte schon vor Längerem mit Lisa Paus vereinbart, dass man dem Haushalt nicht zustimmen werde, wenn nicht sicher geklärt ist, dass die Kindergrundsicherung kommt.
Die Kindergrundsicherung ist neben der Klimapolitik das wichtigste Projekt der Partei in dieser Koalition. Durch eine Bündelung aller Leistungen für Kinder sollen es Eltern leichter haben, die richtigen Gelder zu erhalten. Außerdem, auch das ist für die Grünen entscheidend, sollen die Gelder gerade für ärmere Familien steigen.
Dieser Knoten ist nun gelöst. Die Grünen haben dem Haushalt am Mittwoch zugestimmt, weil in der mittelfristigen Finanzplanung für 2025 zwei Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung vermerkt sind. Nötig dafür war ein Brief des Bundeskanzlers, indem er aus Sicht der Grünen betont, dass die Bundesregierung die Kindergrundsicherung einführen will.
Für Paus heißt das allerdings erstmal Nachsitzen. Denn Scholz schreibt ihr in dem Brief: "Damit bis Ende August ein innerhalb der Bundesregierung geeinter Referentenentwurf vorliegt, sollte dieser entlang der vorliegenden Eckpunkte zügig von Ihrem Haus erarbeitet bzw. um die noch fehlenden Regelungen ergänzt werden." Er zählt daraufhin genau auf, welche möglichen Alternativen sie zu formulieren und berechnen hat.

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Doch Paus will diesen Brief nicht als Rüffel verstanden wissen, gar als Klassenbucheintrag. "Es ist das klare Ziel von mir, dem Kanzler und der gesamten Bundesregierung, dass wir bis Ende August einen fertigen Gesetzentwurf haben", sagt sie am Montag zum stern. Im Ministerium heißt es, sie selbst habe den Kanzler aufgefordert den Brief zu schreiben, alles abgesprochen also, damit endlich ein Durchbruch gelingt. Eine etwas merkwürdige Briefkultur, die wohl außerhalb dieses Kabinetts niemand so richtig versteht.
Der Kanzlerbrief ist nicht der einzige, der in dieser Woche zwischen Journalisten, Politikern und der Twitter-Öffentlichkeit hin und her gereicht wird. Und damit kommen wir zum zweiten Punkt, in dem die Haushaltsdebatte Paus und ihr Ministerium betrifft: das Elterngeld.
Weder Christian Lindner noch Lisa Paus wollen reiche Eltern verärgern
Fast alle Ministerien müssen in diesem Jahr sparen. Das gilt auch für Paus' Ministerium. Deswegen spart sie jetzt – und zwar am Elterngeld. Das sollen nur noch Menschen mit einem zu versteuernden Einkommen von unter 150.000 Euro im Jahr bekommen. Viele Leute finden das falsch, auch die Ministerin selbst scheint etwas unglücklich. "Es steht zu befürchten, dass zumindest in dieser Einkommensgruppe weniger Väter Elternzeit nehmen. Das wäre ein Rückschritt. Und das ist nicht gut", sagt sie dem stern.
Aber auch die FDP, die den Sparkurs grundsätzlich verteidigt, ist unzufrieden mit Paus' Entscheidung. "Ich halte es für falsch, gerade vor dem Hintergrund des Ziels der Gleichstellung von Mann und Frau in der Familie", sagt Fraktionschef Christian Dürr am Dienstag. "Das lehnen die Freien Demokraten in dieser Form ab."
Und so kommt es zu einem merkwürdigen Schauspiel, in dem Regierungsmitglieder versuchen zu vermitteln, dass sie jetzt wirklich gar nichts für die Regierungspolitik können. Paus erklärt dem stern, dass eigentlich Finanzminister Christian Lindner schuld ist: "Es gab die Vorgabe, die dynamische Entwicklung bei dieser Leistung zu drosseln. Uns war wichtig, sozialpolitischen Schaden zu vermeiden. Deshalb haben wir den monatlichen Auszahlungsbetrag nicht gesenkt, sondern den Kreis der Auszahlungsberechtigten verkleinert." Paus' Staatssekretärin twittert am Dienstag einen Brief, in dem Lindners Staatssekretär das Familienministerium dazu auffordert, die Einsparungen durch eine Reform des Elterngelds zu erreichen.
Am selben Tag jedoch twittert der FDP-Politiker Konstantin Kuhle einen weiteren Brief. Dort schreibt Lindner selbst an Paus, dass sie den Einsparbetrag selbstverständlich auch an anderen Stellen ihres Etats erbringen könne. Offenbar hatte sie auf den ersten Brief geantwortet (diese Antwort kursiert bisher leider nicht in der Öffentlichkeit). Also ist es doch die Schuld der Grünen?
Diese Woche hätte eine gute werden können, schließlich hat man sich endlich mal wieder auf Dinge geeinigt. Stattdessen geht der Streit nur weiter. Die Regierung braucht nun wirklich mal Sommerferien. Ein bisschen Abstand, kein öffentliches Gerangel und dann in aller Frische einen ersten Tag nach den Ferien. Vielleicht machen sie zwischendurch noch einen Nachhilfe-Kurs in Kommunikation.