Merkel-Interview Gesundheitskompromiss eine "Jahrhundertreform"

Hamburg - Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel hat an den CSU-Gesundheitspolitiker Horst Seehofer appelliert, das zwischen den Unionsparteien ausgehandelte Kompromissmodell zur Reform der Krankenversicherung mitzutragen. "Ich wünsche mir und erwarte auch, dass der stellvertretende CSU-Vorsitzende diese Vereinbarung zwischen CDU und CSU vertritt", sagte Merkel in einem Interview mit dem stern. Zugleich schloss sie nicht aus, dass der Politiker ein Ministeramt in einer von ihr geführten Bundesregierung erhält. "Das fällt in die Entscheidungshoheit der CSU."

Den Gesundheitskompromiss verteidigte die CDU-Vorsitzende als "Jahrhundertreform". "Ich wollte den Umstieg in das Prämienmodell. Das genau ist eine Jahrhundertreform", sagte sie. Es sei zwar ein Kompromiss, "aber einer, der die Weichen unumkehrbar in die richtige Richtung stellt". Die Union präsentiere sich mit dem Gesundheitsmodell und der geplanten Steuerreform als klare Alternative zu Rot-Grün. Ihr Anspruch sei, die notwendigen Veränderungen in Deutschland in Angriff zu nehmen und dafür Mehrheiten zu finden. Sie fügte hinzu: "Wenn man die schon in den Parteien nicht finden würde, die gemeinsam in den Wahlkampf ziehen müssen, könnte man sich zwar als so genannte Radikalreformerin fröhlich in der Ecke sonnen und sagen, dass man eine gute Theorie entwickelt habe, aber leider gescheitert sei." Sie habe es schon mehrfach erlebt, dass Entscheidungen im ersten Moment kritisiert worden seien, sagte Frau Merkel und erinnerte an die Nominierung Horst Köhlers für das Amt des Bundespräsidenten. "Bei ruhiger Betrachtung haben sich diese Entscheidungen dann immer als gut erwiesen."

Auf die Frage, ob CDU und CSU nicht besser getrennt marschieren sollten, antwortete Frau Merkel: "Wir haben nur gemeinsam Erfolg, nur unsere Gegner wünschen sich uns getrennt." Sie fügte hinzu: "Es gibt natürlich immer wieder Phasen, in denen dieser oder jener die Frage stellt: Wie kommen wir aus der Mühsal des Kompromisses heraus? Aber es ist klar: Die Mehrheitsfähigkeit der Union und damit auch des bürgerlichen Lagers unter Einschluss der FDP hängt davon ab, dass wir uns dieser Mühsal unterziehen, weil wir nur so eine Bandbreite erreichen, die uns die strukturelle Mehrheitsfähigkeit sichert." Geschlossenheit sei ein "Wert an sich", wenn man neue Konzepte voranbringen wolle. Zu Irritationen an der Parteibasis sagte die CDU-Vorsitzende: Wir sind Volkspartei, und nicht für jedermann ist die Gesundheitsprämie die Ausgeburt des Schönen. Sie ist etwas Neues, etwas rational Verständliches, aber eben auch Neuland und ein Umbruch." Dafür sei ihr die Parteibasis in bemerkenswerter Weise gefolgt. "Dass jetzt nicht die Stunde der allerherzlichsten Freudenfeiern über den Zustand der ganzen Partei ist, versteht sich von selbst."

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