Einer der prägenden Politiker der Bundesrepublik, der FDP-Ehrenvorsitzende und frühere Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 82 Jahren in einem Bonner Krankenhaus im Kreise seiner Familie, wie sein Sohn Nikolaus bestätigte. Die genaue Todesursache war zunächst noch unklar. In einer Nachricht seines Büros hieß es, er sei "von seinen vielfältigen Leiden erlöst" worden. Nikolaus Graf Lambsdorff erklärte lediglich, sein Vater sei plötzlich und unerwartet gestorben. Termine für Trauerfeier und Beisetzung stünden noch nicht fest.
Graf Lambsdorff, der am 20. Dezember 83 Jahre alt geworden wäre, war von 1977 bis 1984 Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit. Von 1988 bis 1993 führte er die FDP. In der deutschen Regierungsgeschichte ist sein Name eng mit der "Wende" von der sozial-liberalen Regierung Helmut Schmidts zur CDU/CSU/FDP-Koalition von Helmut Kohl verbunden. In den 80er Jahren überschattete die Flick-Parteispendenaffäre die Karriere des langjährigen Bundestagsabgeordneten. Deswegen wurde er 1987 zu einer Geldstrafe verurteilt.
Bundespräsident Köhler kondoliert Lambsdorffs Familie
Bundespräsident Horst Köhler drückte der Witwe und den Angehörigen des gestorbenen FDP-Ehrenvorsitzenden Otto Graf Lambsdorff sein "tief empfundenes Beileid" aus. "Otto Graf Lambsdorff war einer der bedeutendsten Politiker in der Nachkriegsgeschichte unseres Landes", erklärte das Staatsoberhaupt am Sonntag in einem Kondolenzschreiben.
Köhler erklärte, Lambsdorff habe Deutschland als Parlamentarier, als Bundesminister und als Vorsitzender seiner Partei gedient und mit seinem "einzigartigen wirtschaftlichen Sachverstand und seinen fundierten ordnungspolitischen Grundsätzen Jahrzehnte lang wesentliche politische Entscheidungen mitgestaltet und mitverantwortet". Lambsdorff habe dabei Demokratie stets als einen Wettbewerb von Meinungen und Personen begriffen, in dem niemand Anspruch auf absolute Wahrheiten erheben könne, schrieb Köhler. "Er war ein eigenständiger Denker, der seinen Konkurrenten oft voraus war und mit seinen Reden, Interviews und Schriften für Klarheit und Durchblick sorgte, für die 'frische Luft' eben, die er sich für die deutsche Politik wünschte."
"Großer Verlust eines überragenden Mannes"
Der frühere FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt charakterisierte den Tod Lambsdorffs als "großen Verlust eines überragenden Mannes". Er fügte in einer Stellungnahme am Sonntag hinzu: "In der politischen Geschichte der Bundesrepublik ist seine Handschrift zu erkennen." Lambsdorff war Vorgänger Gerhardts als Vorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung.
Lambsdorff Stimme hatte in der deutschen Politik bis zuletzt politisches Gewicht. Der "Marktgraf" galt als unbedingter Verfechter der freien Marktwirtschaft und als scharfer Analytiker mit markiger Rhetorik. Das "Lambsdorff-Papier" läutete 1982 den Koalitionswechsel der FDP von der SPD zur Union ein. Die Flick-Parteispendenaffäre schadete ihm in seiner Partei nicht - danach war er für über fünf Jahre FDP-Bundesvorsitzender.
Henry Kissinger hielt Laudatio auf Lambsdorff
SPD-Kanzler Gerhard Schröder beauftragte ihn 1999 damit, die Verhandlungen über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern zu führen. Das Verhandlungsgeschick Lambsdorffs in den diffizilen Gesprächen mit Anwälten und Verbänden der Opfer fand hohe Anerkennung. Die internationalen Verbindungen, die Lambsdorff auch als Vorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung hatte, halfen dabei. Als Lambsdorff dieses Amt im April 2006 an Ex- Fraktionschef Gerhardt abgab, hielt der frühere US-Außenminister Henry Kissinger im Reichstagsgebäude die Laudatio auf seinen Freund.
Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den früheren Wirtschaftsminister als "menschlich wie politisch gleichermaßen herausragenden Liberalen". In einer Kondolenzmittelung erklärte sie: "Er hat die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland lange Jahre hindurch ordnungspolitisch geprägt und reiht sich ein in die Reihe der großen Persönlichkeiten unserer sozialen Marktwirtschaft." Auch jenseits der Tagespolitik habe Lambsdorff "in so sensiblen Fragen wie der deutschen Entschädigung der Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges bleibende Maßstäbe gesetzt. Wir gedenken seiner in Dankbarkeit und fühlen mit seiner Frau und seiner ganzen Familie", schloss die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende.