In der Debatte über ein neues Programm haben SPD-Linke die designierten Vize-Vorsitzenden Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier kritisiert. Beide wollten den "Geist der Agenda 2010" von Ex-Kanzler Gerhard Schröder ungeprüft in die Zukunft tragen, sagte die ebenfalls als Partei-Vize nominierte Sprecherin der SPD-Linken, Andrea Nahles, am Montag im Deutschlandfunk. Es müsse zunächst aber gründlich analysiert werden, welche Reformen sich bewährt hätten und welche nicht.
Positionen "nicht mehrheitsfähig"
Nahles, die auch Mitglied des SPD-Präsidiums ist, verwahrte sich dagegen, dass Finanzminister Steinbrück und Außenminister Steinmeier alle Sozialdemokraten zu "Sozialstaats-Konservativen" erklärten, die nicht ihrer Meinung seien. Deren Position sei in der SPD aber "nicht mehrheitsfähig". Der Vorsitzende der Jungsozialisten, Björn Böhning, sagte der "Frankfurter Rundschau", Steinbrück und Steinmeier gäben keine Antwort auf die Frage, wie eine gerechte Wirtschaftspolitik in Zeiten der Globalisierung aussehen solle.
Darauf hatte SPD-Chef Kurt Beck seine Partei zu mehr Geschlossenheit aufgerufen. Er erwarte, dass es bei den Wahlen für die neue Führungsspitze auf dem Hamburger Parteitag im Oktober nicht "zu kleinlichen Abrechnungen" komme, sagte Beck am Montag vor dem SPD-Parteirat in Berlin. Er setze darauf, dass es bei den programmatischen Diskussionen in der SPD nicht "um Personen sondern um Inhalte" gehe. Beck sagte am Montag vor den Bezirks- und Landesvorsitzenden: "Mein Anspruch ist es, in Kooperation und offener Diskussion zu Entscheidungen zu kommen, die gemeinsam getragen werden." Das neue Grundsatzprogramm der SPD, das in Hamburg verabschiedet werden soll, sei "auf der Höhe der Zeit". Darin müssten sich alle Strömungen in der SPD wiederfinden.
Partei stärkte Beck den Rücken
Der SPD-Parteirat stärkte Beck ausdrücklich den Rücken. Dessen Führungsstil finde breite Zustimmung in der Partei, sagte der Vorsitzende Claus Möller. Er lobte insbesondere die "kooperative und offene Form", mit der Beck die Diskussionen in der SPD leite. Dies sei früher gelegentlich anders gewesen. Auch für den Parteitag sei die SPD "sehr gut aufgestellt".
Steinbrück, der sich auf dem SPD-Parteitag Ende Oktober in Hamburg zur Wiederwahl als SPD-Vize stellt, verteidigte dagegen die "Agenda 2010". "Der Beitrag von Gerhard Schröder ist ein entscheidender Beitrag gewesen, um die SPD im ersten Teil dieses Jahrzehnts auf die Höhe der Zeit zu bringen", sagte er im Bayerischen Rundfunk. Gemeinsam mit Steinmeier, der in Hamburg erstmals als SPD-Vize antritt, sowie dem brandenburgischen Ministerpräsidenten und früheren SPD-Chef Matthias Platzeck hat Steinbrück ein Buch zum Parteikurs verfasst, das am Montagnachmittag vom früheren SPD-Chef Hans-Jochen Vogel in Berlin offiziell vorgestellt werden sollte.

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Rückbesinnung auf Willy Brandt
In dem Sammelband plädieren die drei prominenten "SPD-Erneuerer" für eine entschlossene Fortsetzung von Schröders Reformen sowie eine Rückbesinnung der Partei auf den Modernisierungskurs von Willy Brandt. Steinbrück räumte ein, dass Parteichef Kurt Beck nicht alle Thesen in den mehr als 60 Beiträgen teilen werde. Beck sei mit keinem eigenen Beitrag vertreten, weil er in der SPD eine "Moderatorenfunktion" habe und sich nicht für eine politische Richtung instrumentalisieren lassen wolle.
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kündigte eine deutliche Straffung und inhaltliche Zuspitzung des seit Januar vorliegenden Entwurfs für das neue Grundsatzprogramm an, das in Hamburg verabschiedet werden soll. Zusammen mit der Parteilinken Nahles und Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse werde er dafür die neue Vorlage ausarbeiten.