Die schwer angeschlagene FDP drückt bei der personellen Neuausrichtung aufs Tempo. In einer Woche der Entscheidungen soll schon am Dienstag die Spitze der Bundestagsfraktion neu gewählt werden. Einem entsprechenden Vorschlag der Fraktionsführung um ihre Chefin Birgit Homburger stimmten die Bundestagsabgeordneten jetzt bei einer Klausurtagung in Berlin zu. Damit entscheidet sich das politische Schicksal der 46-Jährigen noch vor dem Parteitag Ende der Woche in Rostock, bei dem sich die FDP inhaltlich und personell neu aufstellen will.
Homburger lässt Zukunft offen
Homburger, die am Samstag beim Landesparteitag in Stuttgart knapp als baden-württembergische FDP-Vorsitzende bestätigt wurde, ließ nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung offen, ob sie sich erneut zur Wahl stellen wird. Parteintern wurde damit allerdings gerechnet. Auch keine anderen Bewerber aus dem Kreise der 93 Abgeordneten hätten sich gemeldet.
Homburger muss bei einer erneuten Kandidatur gleichwohl mit Gegenkandidaten rechnen. Ambitionen werden etwa dem nordrhein-westfälischen Landeschef Daniel Bahr nachgesagt. An die Parlamentarier sei appelliert worden, ein mögliches Interesse an dem Chefposten bis Montagnachmittag mitzuteilen, hieß es. Allerdings sind Kandidaturen auch kurzfristig möglich.
Auf den vorgezogenen Termin hatte sich Homburger mit dem designierten neuen Parteichef Philipp Rösler verständigt. Turnusmäßig stünde die Wahl der Fraktionsspitze erst im Oktober an. Mehrere Abgeordnete, wie der neue rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Volker Wissing, hatten aber gefordert, die Partei müsse schnellstmöglich alle Personalien klären, um die Sacharbeit wieder in den Vordergrund schieben zu können.
Satzung außer Kraft gesetzt
Um die Abstimmung möglich zu machen, musste die Satzung außer Kraft gesetzt werden, die eigentlich eine vierwöchige Einladungsfrist vorsieht. Dies war möglich, weil keiner der Abgeordneten Einwände geltend machte. Nach Angaben aus Parteikreisen gab es lediglich vier Enthaltungen.
Am Donnerstag will Rösler seine Führungsmannschaft für die FDP-Spitze benennen. Bei dem am Freitag beginnenden Parteitag soll der 38-Jährige zum neuen Vorsitzenden und Nachfolger von Guido Westerwelle gewählt werden. Unklar blieb, ob Wirtschaftsminister Rainer Brüderle erneut für einen der drei Vize-Posten antritt. NRW-Landeschef Bahr will ihm den streitig machen und kündigte nochmals seine Kandidatur an.
Der personelle und inhaltliche Neuanfang in der FDP ist die Folge der dramatischen Wahlniederlagen der Liberalen in ihren einstigen Hochburgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Scharfe Kritik erntete Homburger dafür auf einem Sonderparteitag in Stuttgart. Dort wurde sie erst im zweiten Wahlgang nur knapp als Landesvorsitzende bestätigt und erhielt zudem ihr bisher schlechtestes Ergebnis. Dennoch erklärte sie, dass sie sich auch für die Fraktionsspitze in Berlin gestärkt fühle. Kritiker in der Fraktion hielten Homburger entgegen, wenn sie trotz des schwachen Ergebnisses von Rückenwind spreche, habe sie wohl ein Wahrnehmungsproblem.
Brüderles Zukunft offen
Rösler ließ am Wochenende weiter offen, wie sein Führungsteam genau aussehen soll. Alle Minister der Liberalen im Bundeskabinett würden zum Führungsteam zählen, sagte er in einem "Focus"-Interview, ohne dies zu erläutern. Westerwelle werde Außenminister bleiben, sagte der Gesundheitsminister. Offen ließ Rösler die Zukunft Brüderles in der Partei, der am Samstag nach 28 Jahren als Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz abtrat.

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Der scheidende FDP-Chef Westerwelle stellte sich hinter Rösler. "Diese neue Führung kann sich auf meine Unterstützung verlassen", sagte er der "Bild am Sonntag".