Fried – die Politik-Kolumne Wird Söder noch einmal einen Unions-Kanzler verhindern, nur weil er es selbst nicht sein kann?

Nico Fried glaubt, dass Markus Söder keine Chance mehr hat, als Kanzler zu kandidieren
Nico Fried glaubt, dass Markus Söder keine Chance mehr hat, als Kanzler zu kandidieren
© Illustration: Sebastian König/Stern; Foto: Henning Kretschmer/Stern
Markus Söder ist als Kanzlerkandidat so gut wie raus. Für die CDU ist das trotzdem ein Problem. Was bietet sie ihm, um ein zweites 2021 zu verhindern?

Da stand er nun am Wahlabend, der Markus Söder. 56 Jahre alt, ehrgeizig, selbstbewusst, voll im Saft – und mit einem enttäuschenden Ergebnis. Er gab sich alle Mühe, zufrieden zu wirken. 37 Prozent holte seine CSU, wie 2018. Aber für bayerische Verhältnisse war das damals schon schlecht, und fünf Jahre später ist es nicht besser geworden. Söder wird nicht zufrieden gewesen sein.

Warum interessiert uns das hier? Weil von Söder viel abhängt in den nächsten Monaten, vor allem für die CDU. Man muss sich schließlich angesichts der desaströsen Lage der Ampel dem Gedanken nähern, dass die Union 2025 den nächsten Kanzler stellen könnte. Und Markus Söder muss sich dem Gedanken nähern, dass er das nicht sein wird. Das ist eine, vorsichtig formuliert, delikate Konstellation.

Der CSU-Chef dümpelt mit dem Ergebnis vom Sonntag irgendwo im Ungewissen, was seine politische Zukunft angeht: für den Aufbruch zu neuen Ufern zu wenig, zum Davonlaufen zu viel. Söders Ergebnis reicht, um in Bayern weiterzuregieren, wie schön, noch mal fünf Jahre mit Hubert Aiwanger am Kabinettstisch. Noch mal fünf Jahre kreuz und quer als Landesvater durch den Freistaat.

Söder, der selbst sagt, die Kanzlerkandidatur habe sich für ihn erledigt, wird sich trotzdem die Frage stellen: Soll das alles gewesen sein? Und ein Mann in diesem Alter, der sich diese Frage stellt, wird noch unberechenbarer, als es Söder eh schon ist.

Der CSU-Chef hat sich gegen den Widerstand seines Vorgängers Horst Seehofer durchgekämpft bis zum Amt des Ministerpräsidenten, hat Angela Merkel erst wegen der Flüchtlingspolitik lauthals beschimpft, sich später in der Coronakrise heftig an sie geschmiegt. Er hatte die Kanzlerkandidatur vor Augen und wurde von der CDU ausgebootet. So etwas vergisst er nicht.

Die CDU muss sich etwas einfallen lassen

Söder hat schon 2021 nicht einfach zugeschaut, als dann Armin Laschet antrat, sondern mit anhaltenden Sticheleien sein ziemlich großes Scherflein dazu beigetragen, dass der Konkurrent scheiterte. Und jetzt soll er zuschauen, wie Friedrich Merz womöglich den Laden übernimmt, jemand, der sich 16 Jahre lang aus allem rausgehalten hatte? Oder Hendrik Wüst, dem das Amt eines Ministerpräsidenten in den Schoß fiel, nachdem Armin Laschet weg war? Die Frage klingt paradox und abwegig, ist aber durchaus plausibel: Würde Söder noch einmal einen Unions-Kanzler verhindern, nur weil er es selbst nicht sein kann?

Söder ist der CSU-Vorsitzende, der mit dem CDU-Chef den Kandidaten vorschlägt. So ist es besprochen. Wenn Merz zugreifen will, wird Söder es ihm nicht verweigern können. Aber was kommt dann?

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Edmund Stoiber, Söders großes Vorbild, hatte sich 2005 von Angela Merkel ein Superministerium versprechen lassen, den Sprung nach Berlin am Ende aber gescheut. Bald darauf war er nicht mehr bayerischer Ministerpräsident. Horst Seehofer zog 2018 aus der Münchner Staatskanzlei ins Bundesinnenministerium, um auf Merkel aufzupassen. Söder als einer unter vielen im Bundeskabinett? Schwer vorstellbar.

Die CDU wird sich etwas einfallen lassen müssen. Das ist der Preis der Macht.

Als Söder neulich erfolgreich Karpfen aus einem mittelfränkischen Weiher hievte, sinnierte er selbst darüber, was aus ihm werden solle, wenn es mit der Politik vorbei wäre. Er sei zuversichtlich, hat Söder da gesagt, „dass eine Zweitkarriere als Abfischer noch denkbar ist“. Das war natürlich nur ein Scherz.

Erschienen in stern 42/23