Nokia schließt Werk in Bochum Das sagen die stern.de-Leser

Nokia kündigt tausenden Mitarbeitern und wandert ins Niedriglohnland Rumänien ab. Die Leser von stern.de sind entsetzt. Während die einen eine andere Politik fordern, überlegen einige andere, Nokia fortan zu boykottieren. Ein Auszug aus einer bewegten Debatte.

Eine hitzige Diskussion ist im stern.de-Leserforum entbrannt, nachdem Nokia angekündigt hatte, wegen niedrigerer Lohnkosten die Produktion von Bochum nach Rumänien zu verlagern. Ist das Verhalten der Nokiamanager unmoralisch? Oder verhält sich das Unternehmen wie jedes andere auch? Welche Rolle spielen die Subventionen, die Deutschland und die EU an Multiunternehmen zahlen? Und sind die Politiker nicht selbst schuld, wenn sie mit ihrer Politik der freien Märkte, das Abwandern von Firmen erst möglich machen?

Die allerwichtigste Frage aber, die die stern.de-Leser beschäftigt, lautet: Soll man Nokia-Handys ab sofort boykottieren? Es ist sehr umstritten, ob eine solche Kaufweigerung überhaupt etwas bringen würde. Viele Leser mahnen auch an, man müsse Maß halten, denn Nokia sei bei weitem nicht der einzige Konzern, der im Ausland produziere.

"Was Nokia tut, ist moralisch verwerflich"

Einig sind sich die Leser vor allem darin, dass die Art und Weise, mit der sich der weltgrößte Handyproduzent aus Deutschland verabschiedet, zu verurteilen sei. "Klammheimlich", so "beta", "hat man alles in Rumänien vorbereitet und stellt Arbeitnehmer und Betriebsrat Knall auf Fall vor vollendete Tatsachen." Frabi urteilt, dass Nokias Verhalten juristisch zwar einwandfrei sein möge, "aber rein moralisch ist es äußerst verwerflich" Und "Provocateur" fragt, "wie soll ein lohnabhängig Beschäftigter da seine Zukunft planen, wenn ein Weltkonzern einfach so von heute auf morgen sagen kann: Das war´s jetzt?"

Hierin drückt sich nicht nur das Mitgefühl der stern.de-Leser mit den Bochumer Beschäftigten aus. Sehr viele Leser sehen in der drohenden Werkschließung nur eine weitere von vielen und erinnern an den Handyhersteller BenQ und an Dax-Unternehmen wie Infineon, BMW oder die Deutsche Bank. Der Fall Nokia ist für sie nur eine weitere Konsequenz der Globalisierung, die vielen Angst macht. "Vaben" hält beispielhaft fest, " Als relativ reiche Nation mit minimalem Wachstum, in einer Welt, in der das Kapital so flexibel ist, wie heutzutage, können wir auf Dauer nur Verlierer sein. Es werden weder in Deutschland noch in Rumänien Menschen verhungern, aber während es in Rumänien für arme Menschen besser wird, werden wohl immer mehr Deutsche ihr Leben nur mit Existenzsicherung zubringen, ohne Aussicht auf mehr."

"Törrichte Dummheiten"

Nichtsdestotrotz verstehen viele Leser nicht, warum ein an sich profitabler Konzern, wie Nokia, wegen vermeintlich geringer Profitzuwächse einen ganzen Standort schließt. "Für die Shareholder-Value? Oder die Managergehälter?" Deshalb will "Hamburger 2008" auch nicht akzeptieren, "dass Nokia bei einem Personalkostenanteil von nur fünf Prozent in der Produktion, den Standort aus Deutschland verlegt." Doch "RaBraBo", "kann einfach nicht glauben, dass bei Nokia nur Geldgeile Säcke sitzen die den Hals nicht voll kriegen.", und sucht deshalb die Schuld beim Standort Deutschland.

Wenn er die Schuld bei den deutschen Politikern suchen würde, hätte er bei stern.de-Leser "bernie-abg" jede Menge Hinweise bekommen. "Bernie-abg" schreibt: "Das kommt davon, wenn man sich die primitiven, wenig durchdachten Vorstellungen der Wirtschaftsliberalen zu Eigen macht." Und "Medley" fragt sichtlich erbost: "Warum geben unsere Politiker den Unternehmen zig Millionen für eine Produktionsansiedlung in die Hand, ohne sich vertraglich abzusichern, dass dann diese Standorte tatsächlich auch für sehr lange Zeit Bestand haben werden? Warum machen sie solche törichten Dummheiten, um mich mal noch ganz vorsichtig auszudrücken?!"

Was bringt ein Boykott?

Also, was tun, wenn man nicht auf die Politik hoffen mag? Die Antwort vieler stern.de-Leser lautet "Boykott!". Man könne sich als Verbraucher nur wehren, so "Grossbuerger", "indem wir nichts von Nokia kaufen!" Der Hinweis von "acenes", dass eigentlich auch die großen deutschen Unternehmen im Ausland produzierten und dann ebenfalls boykottiert werden müssten, lässt "Hamburger2008" nicht gelten: "Es geht um die Menschen, von denen Nokia (auf der eigenen Homepage; die Red.) so großartig spricht, es geht um Respekt vor dem Einzelnen, Fairness und offene Kommunikation."

"RomanTicker" ist auch optimistisch, dass Nokia einen Käuferboykott spüren würde. "Es stimmt nicht so ganz, dass die deutschen Verbraucher keinen Einfluss auf die Verkaufszahlen von Nokia haben. Auf den Wachstumsmärkten in China, Indien und so weiter wird Nokia es sowieso schwer haben, denn dort kauft man gerne die günstigeren asiatischen Handys." Überhaupt, schreibt stern.de-Leser "Amin42…", könne man auf das Handy ohnehin verzichten: "Das Handy ist lediglich eine bequemere Form der Kommunikation und damit in den allermeisten Fällen Luxus."

sh

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos