"Wir starten eine Rückführungsoffensive", so steht es schon im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien. Nun ist der Startschuss gefallen: Das Bundeskabinett hat das "Rückführungsverbesserungsgesetz" beschlossen, von dem sich Koalitionäre mehr und schnellere Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern versprechen.
Das "Bündel restriktiver Maßnahmen" sei nötig, um irreguläre Migration nach Deutschland "deutlich zu begrenzen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Berlin. Schnellere und mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber dienten gleichzeitig dazu, "genügend Kapazitäten" zu schaffen für Menschen, die tatsächlich Schutz in Deutschland brauchten.
Geplant sind Rechtsänderungen, auf die sich Bund und Länder bereits auf ihrem Migrationsgipfel im Mai verständigt hatten, aber auch weitere Maßnahmen zur "erleichterten Identitätsfeststellung", zu "Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern" sowie der "Beseitigung von Vollzugshindernissen", wie es in dem von Innenministerin Faeser eingebrachten Gesetzentwurf heißt. Dieser liegt dem stern vor.
Der Druck auf die Bundesregierung ist enorm, die Zahl illegaler Migranten rasch zu senken. "Es kommen zu viele", sagte zuletzt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in ungewohnt unterkühltem Ton im "Spiegel"-Interview. "Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben."
Ob die vorgelegten Pläne, die nun im Bundestag beraten werden – auch die hohen Erwartungen einlösen können, ist jedoch fraglich.
Härtere Regeln – aber auch mehr Abschiebungen?
Grundsätzlich soll das "Rückführungsverbesserungsgesetz", die zuständigen Behörden entlasten und Abschiebungen erleichtern – also bestenfalls beschleunigen. Geplant sind dazu eine Reihe von Maßnahmen:
- So soll etwa die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams verlängert werden, von derzeit zehn auf bis zu 28 Tage, um mehr Zeit bei der Vorbereitung von Abschiebungen zu gewinnen.
- Um die Identität von Abschiebekandidaten zweifelsfrei klären zu können, soll künftig auch die Durchsuchung von Wohnungen nach Datenträgern und Unterlagen erlaubt sein, da viele Asylbewerber nicht in Besitz von gültigen Personaldokumenten sind.
- Außerdem soll es Polizisten erlaubt werden, in Gemeinschaftswohnungen auch weitere Räumlichkeiten betreten zu dürfen. So soll verhindert werden, dass Ausreisepflichtige abtauchen.
- Dafür soll auch die Pflicht zur Ankündigung von Abschiebungen abgeschafft werden. Familien mit Kindern unter zwölf Jahren sind davon ausgenommen..
- Die Ausweisung von Schleusern soll besonders forciert werden. Künftig soll etwa schon dann "ein besonders schweres Ausweisungsinteresse" bestehen, wenn die betreffende Person zu einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt .
Ob derart verschärfte Abschieberegeln dann auch tatsächlich zu deutlich mehr Abschiebungen führen werden, ist längst nicht ausgemacht.

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So droht nur einem Bruchteil von den in Deutschland ausreisepflichtigen Asylbewerbern auch potenziell eine Abschiebung. Zum Stichtag 31. August 2023 waren nach Angaben des Bundesinnenministeriums im Ausländerzentralregister (AZR) 261.925 ausreisepflichtige Personen registriert, davon 210.528 Duldung, lediglich 51.397 ohne Duldung. Schutzsuchende mit Duldung sind zwar ausreisepflichtig, können aber aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden. Dazu zählen eine ungeklärte Identität, Krankheiten oder eigene Kinder, die eine Aufenthaltserlaubnis besitzen.
Einer Abschiebung steht laut Gesetz auch entgegen, wenn den Menschen "im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht" (§ 60 Abs. 7 AufenthG), also wenn sie aus Ländern kommen, in denen beispielsweise Krieg herrscht. Laut den AZR-Zahlen kommt ein wesentlicher Teil der Ausreisepflichtigen aus ebendiesen Ländern, also etwa aus Afghanistan, dem Irak oder Syrien.
Häufig hapert es aber auch an der Kooperationsbereitschaft der Zielländer, die Abgeschobenen auch wieder aufzunehmen. In anderen Worten: Ohne aufnahmebereite Herkunftsländer sind Abschiebungen nicht möglich. Die Bundesregierung bemüht sich daher seit längerer Zeit um Migrationsabkommen. Im Gegenzug für die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber sollen Bürger der betreffenden Länder die Möglichkeiten erhalten, legal einzureisen – damit alle Seiten etwas davon haben, so die Idee. Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann räumte am Montag allerdings ein, dass die Verhandlungen "keine einfachen Vorgänge" seien und Zeit bräuchten.
Somit zielen die Vorschläge von Innenministerin Faeser und der Ampel-Koalition vor allem auf einen konsequenteren Vollzug von Abschiebungen auf deutscher Seite. Zwischen Januar und Juni dieses Jahres gab es nach einer Auskunft der Bundesregierung an die Linksfraktion insgesamt 7861 Abschiebungen, im Vorjahreszeitraum waren es 6198 Abschiebungen. Und in Zukunft? Im Gesetzentwurf heißt es: "Wie viele Abschiebungen aufgrund der Rechtsänderungen zusätzlich vollzogen werden, ist schwer abschätzbar." Im Innenministerium hofft man offenbar auf das Beste.
Allzu große Hoffnungen scheint man sich jedoch nicht zu machen. Man nimmt an, heißt es in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf, dass durch die Verschärfung der Ausreisepflicht "die Zahl der Abschiebungen um 600 (5 Prozent) steigen wird.
Auch Kritiker halten den Effekt der Maßnahmen für überschaubar, aus unterschiedlichen Gründen. So begrüßte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Alexander Throm (CDU) zwar den Abbau von Hürden für Abschiebungen. Er merkte aber an: "Entscheidend ist, den ungezügelten Zustrom der Asylmigration auszubremsen." Unerlaubte Einreisen nach Deutschland und Europa müssten reduziert werden. Wiebke Judith von Pro Asyl bemängelte, die Bundesregierung opfere die Rechte der Betroffenen dem "rechtspopulistischen Diskurs". Eine Verschärfung der Abschiebungsregeln würde "kaum dazu führen, dass nennenswert mehr Menschen abgeschoben werden."
Auch aus den Reihen der Ampel-Koalition kam Kritik. Die Grünen-Abgeordnete Jamila Schäfer sagte zu "t-online": "Wir dürfen nicht so tun, als läge die Lösung beim Thema Migrationspolitik vor allem bei Abschiebungen, weil die meisten Menschen gar nicht abgeschoben werden können, weil sie aus Kriegsgebieten wie der Ukraine, Syrien oder Afghanistan kommen."