Knapp vier Monate vor dem Startschuss der Olympischen Spiele in China hat Judo-Kämpferin Yvonne Bönisch als erste deutsche Olympiasiegerin den Verzicht auf die Eröffnungsfeier in Peking angekündigt. "Ich werde Zeichen setzen und nicht an der Eröffnungsfeier teilnehmen", sagte die 27-Jährige im ZDF. Einen Wettkampf-Boykott schloss die deutsche Medaillenhoffnung für sich aber aus. "Für jeden Sportler ist es das Größte, bei Olympischen Spielen teilzunehmen. Und wenn jetzt boykottiert werden würde, würden Tausende Träume platzen", sagte die Potsdamerin.
Wie Bönisch, die 2004 in Athen als erste deutsche Judo-Frau Olympia-Gold erkämpfte, hatte zuvor schon Fechterin Imke Duplitzer über einen Teilnahmeverzicht bei der Eröffnungsfeier nachgedacht. "Ich werde da wohl nicht hingehen, um zu zeigen, ich bin hier, weil ich hier sein muss. Nach meinem Wettkampf werde ich China wohl sofort verlassen und nicht bis zum Ende der Spiele bleiben."
Frankreichs Athleten dürfen nicht protestieren
Athleten anderer Nationen müssen oder wollen auf Protestaktionen und Meinungsäußerungen dagegen verzichten. Etwa Frankreichs Olympia-Starter. Die Sportler wollten den Schriftzug "Für eine bessere Welt" als Motto gemeinsam mit den olympischen Ringen und dem Wort "Frankreich" am Trikot tragen, um vor dem Hintergrund des Tibet-Konflikts in China für die Menschenrechte einzutreten. "Man kann keinen Anstecker für eine andere Sache tragen", dies widerspreche der olympischen Charta, erklärte Henri Sérandour, Präsident des französischen Nationalen Olympischen Komitees, im L’Equipe TV. Dagegen hatte der französische Sport-Staatssekretär Bernard Laporte den Plan der Sportler unterstützt.
Das US-Team will in Peking auf politische Äußerungen verzichten. Diesen Standpunkt vertritt die Mehrheit der amerikanischen Athleten zu Beginn der US-Medientage in Chicago. "Die Spiele sind für mich heilig. Das ist etwas, das nicht gestört werden sollte", betonte Turn-Olympiasieger Paul Hamm. Fußballerin Abby Wambach kündigte an, sich wie ihre Mitspielerinnen einzig und allein auf die Titelverteidigung konzentrieren zu wollen. "Wir denken, dass ist die deutlichste Sprache, wenn wir Gold holen und unser Land bestens vertreten."
Athleten aus dem Team Darfur forderten das Internationale Olympische Komitee (IOC) zu einer unmissverständlichen Stellungnahme in der Frage der freien Meinungsäußerung bei den Sommerspielen in Peking auf. "Wir verlangen Klarheit von Ihnen in Bezug auf die praktische Interpretation der IOC-Regeln und darüber, welche Maßnahmen das IOC unternimmt, um das Recht der Sportler auf freie Meinungsäußerung bei den Spielen zu gewährleisten", heißt es in einem Brief, den die Organisation an IOC-Präsident Jacques Rogge schickte. Das Team Darfur will dazu beitragen, die Weltöffentlichkeit auf den seit fünf Jahren in der westsudanesischen Krisenregion wütenden Bürgerkrieg aufmerksam zu machen.
Außenminister Steinmeier appelliert an China
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) appellierte unterdessen in einem Telefonat mit seinem chinesischen Amtskollegen Yang Jiechi an Chinas Führung, den Dialog mit Vertretern der tibetischen Religion und Kultur zu suchen. Für die deutsche Wirtschaft warnte der Chef des weltgrößten Chemiekonzerns BASF, Jürgen Hambrecht, im "Handelsblatt" vor den ökonomischen Folgen eines Olympia-Boykotts. Exiltibetische Organisationen haben weitere Proteste in Indien angekündigt, wenn die olympische Flamme am Donnerstag in Neu Delhi Station macht. Bereits am Mittwoch ist in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad eine Etappe des olympischen Fackellaufs geplant. Aus Angst vor Terroranschlägen islamischer Extremisten hatten die Behörden den Lauf in ein Sportzentrum verlegt. Mit Protesten von Exiltibetern wird in Pakistan nicht gerechnet.
Die australische Regierung hat bekräftigt, dass die umstrittenen chinesischen Wächter der olympischen Flamme beim Fackellauf nächste Woche in Canberra keinerlei Sicherheitsaufgaben übernehmen werden. Sie widersprach damit dem IOC-Mitglied Kevan Gosper. Dieser hatte dem australischen Sender ABC gesagt, die chinesischen Sicherheitsleute kämen vielleicht zum Einsatz, wenn anti-chinesische Proteste beim Fackellauf am 24. April ausufern sollten. Die Männer mit den blauweißen Trainingsanzügen und Schirmmützen waren bei den Fackelläufen in London, Paris und San Francisco wegen ihres ruppigen Umgangs mit Demonstranten scharf kritisiert worden.