PARTEITAG »Mit Nostalgie und Verdrängung ist Deutschland nicht zu regieren«

Das Ergebnis lässt beinahe auf eine Wahl per Akklamation schließen: 88,85 Prozent der Parteitagsdelegierten bestätigten Kanzler Schröder als SPD-Parteichef - ein erneuter Vertrauensbeweis.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat vom SPD-Parteitag in Nürnberg einen klaren Vertrauensbeweis für seine Politik erhalten. Mit 88,58 Prozent wurde er am Montag als SPD-Chef bestätigt. 450 Delegierte votierten für ihn, 42 stimmten mit Nein, 16 enthielten sich. Dies war das beste Ergebnis seit seinem Amtsantritt im April 1999. Schröder zeigte sich zufrieden. Er sei stolz über das Vertrauen, das ihm die Partei entgegen gebracht habe. Der Kanzler legte vor den mehr als 500 Delegierten in seiner Grundsatzrede zehn Monate vor der Bundestagswahl ein klares Bekenntnis zur Fortsetzung der rot-grünen Koalition ab.

Die FDP ist für eine einflussreiche Rolle noch nicht reif

Zugleich machte er aber die Übereinstimmung in der Außen- und Sicherheitspolitik zur »unerlässlichen Bedingung« für die weitere Regierungsarbeit. Schröder grenzte sich scharf von der FDP ab. Bei den Wirtschaftsliberalen müsse sich sich noch »viel ändern«, bis sie wieder reif für eine einflussreiche Rolle seien. Auch einer großen Koalition mit der Union erteilte Schröder eine Absage.

Nur das Regierungsbündnis kann den Reformkurs fortsetzen

Nur das rot-grüne Regierungsbündnis habe die Kraft, den Reformkurs fortzusetzen und das Land zu erneuern, sagte Schröder. Mit Blick auf den bevorstehenden Bundesparteitag der Grünen in Rostock verlangte der Kanzler aber für die weitere politische Zusammenarbeit mehr Realitätsnähe und Geschlossenheit.

Übereinstimmung »in den zentralen Fragen der deutschen und internationalen Politik nicht nur mit dem Bundeskanzler, sondern auch mit dem eigenen Außenminister ist die unerlässliche Bedingung dafür«, sagte der SPD-Chef in seiner 75-minütigen, mehrfach vom Beifall unterbrochenen Rede. Mit »Nostalgie und Verdrängung« sei Deutschland nicht zu regieren.

Parteitag ist einer der wichtigsten in der Parteigeschichte

Angesichts der politischen Weltlage bezeichnete Schröder den Nürnberger Bundesparteitag als einen der wichtigsten in der Geschichte der SPD. Er warb bei seiner Partei nachdrücklich um Zustimmung zu seiner Politik im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. »Ich brauche Eure Zustimmung für die Politik, über die am Freitag der Deutsche Bundestag entschieden hat.« Nur wenige Delegierte übten Kritik an Schröders Vorgehen bei der Vertrauensfrage und beim Afghanistan- Beschluss des Bundestages. Der Juso-Vorsitzende Nils Annen warf der Regierung vor, den militärischen Beitrag zu sehr in den Mittelpunkt gerückt zu haben.

Der Kanzler lässt die gemeinsamen Reformprojekte Revue passieren.

Schröder hatte zuvor an die gemeinsamen rot-grünen Reformprojekte der vergangenen drei Jahre erinnert, wie den Atomausstieg, das neue Staatsbürgerschaftsrecht, die Steuerreform, den neuen ökologischen Kurs in der Agrarpolitik und an die Haushaltskonsolidierung. »Unsere Reformagenda ist noch lange nicht abgearbeitet«, sagte der Kanzler. Dabei nannte Schröder auch das neue Zuwanderungsgesetz. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, forderte vor dem SPD-Parteitag die Regierungskoalition nachdrücklich auf, »Mut zur Zuwanderung zu haben«.

Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit knapp vier Millionen Arbeitslosen bezeichnete Schröder als unzureichend. Ohne die »Konjunkturdelle« in den USA hätte die Koalition allerdings ihr Ziel erreicht, die Arbeitslosenzahl unter 3,5 Millionen zu drücken. »Wir werden aber dieses Ziel nicht aufgeben.« Der Kanzler kündigte an, die Koalition werde weitere Akzente bei Bildung und Qualifizierung der jungen Menschen setzen. Von der Wirtschaft verlangte Schröder mehr Anstrengungen in der Weiterbildung. Wer glaube, er könne mangelnde Anstrengungen in diesem Bereich durch Zuwanderung kompensieren, der irre.

»Mit diesen Kräften ist kein Staat zu machen«

Sparkurs und Haushaltskonsolidierung würden fortgesetzt, versicherte der SPD-Chef. Der Opposition warf er vor, »Steuergeschenke« zu fordern. Die Union bezeichnete Schröder als führungslos. Mit Blick auf die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber sagte er: »Mit diesen Kräften ist kein Staat zu machen.« Ihnen dürfe man Deutschland nicht anvertrauen. In Hamburg paktiere die FDP mit dem »personifizierten Populismus«, dem Amtsrichter Ronald Schill.